Wolfgang Pohrt befürchtete 1992 das »Vierte Reich«, kritisierte später jedoch den »Aufstand der Anständigen«

Der rasende Mob wird 30

Wolfgang Pohrt sah in der rassistischen Gewalt nach der sogenannten Wiedervereinigung eine drohende Rückkehr des Deutschen Reichs. Zehn Jahre später verwarf er diese Analyse als von den Entwicklungen in der Bundesrepublik überholt.

Lange vor dem Pogrom in Rostock-Lichtenhagen schon schwappte über den Osten Deutschlands eine Welle von Gewaltverbrechen gegen Ausländer hinweg.
Am 7. April 1991 starb der Mosambikaner Jorge Gomondai in Dresden, nachdem er von Rechtsextremen zusammengeschlagen worden war. Es war kein Einzelfall. In einer Chronik der Ereignisse (»Das Jahr danach«, 1992) schrieb Wolfgang Pohrt, dass ihm ­diese Verbrechen wie ein »Vorspiel zum fabrikmäßigen Massenmord« erscheinen (eine zweifellos polemische Zuspitzung, um den Leser aufzurütteln), während die kritisch aufgelegte Öffentlichkeit so täte, »als dürfe man von den Landsleuten drüben nach den Jahren der Enthaltsamkeit nichts anderes erwarten. Verharmlosend wurden die Täter gern als Sozialfälle dargestellt, für deren ruppiges Benehmen man Verständnis aufbringen müsse.« Es handle sich jedoch nicht etwa um Rassenunruhen oder Nationalitätenkonflikte, sondern um gezielte Morde, begangen von faschistischen Vollstreckungskommandos, die sich mit »zielfahnderischem Geschick« auf die Jagd nach den wenigen Ausländer begäben, die es durch unglückliche Umstände in die sogenannte Zone verschlagen hatte. In der damaligen Situation drängten sich solche Erklärungen geradezu auf, ohne dass sie alarmistisch gewesen wären.

Schockiert vom Treiben des Mobs rief Pohrt beim Bonner Innenministerium an, um sich zu erkundigen, ob die staatliche Ordnung noch existiere.

Noch kein Abonnement?

Um diesen Inhalt zu lesen, wird ein Online-Abo benötigt::