Der Diktaturnostalgiker
Die eigenen Eltern kann man sich ja leider nicht aussuchen. Daher sollte man Kinder auch nicht für die Schandtaten ihrer Erzeugerinnen und Erzeuger verantwortlich machen. Doch von dem Diktatoren- und Autokratennachwuchs, der höchstwahrscheinlich bald die Philippinen regieren wird, ist leider nichts Gutes zu erwarten. Nach Auszählung von über 90 Prozent der Stimmen der dortigen Präsidentschaftswahl vom 9. Mai liegt Ferdinand Marcos Jr., genannt Bongbong, deutlich in Führung vor der Zweitplatzierten, der liberalen Kandidatin und bisherigen Vizepräsidentin Leni Robredo.
Marcos Jr. ist der Sohn des ehemaligen philippinischen Diktators Ferdinand Marcos, der 1965 an die Macht kam und 1986 von einer gewaltlosen Protestbewegung gestürzt wurde. 1989 starb er im Exil auf Hawaii. Von Rebellion gegen das Erbe seines Vaters, der unter anderem für zahlreiche politische Morde, Folter und Inhaftierungen verantwortlich war und sich und seine Familie enorm bereichert hatte, ist bei Marcos Jr. nichts zu spüren. Im Gegenteil verklärt er die Jahre der Diktatur als goldenes Zeitalter der Sicherheit und des Wohlstands und nannte seinen Vater ein »politisches Genie«. Sein Kampagnenslogan lautete gar: »Gemeinsam werden wir wiederauferstehen.« Faktencheck-Initiativen berichten, dass soziale Medien in den vergangenen Monaten von einer Flut an Falschinformationen über die Diktaturzeit und die Kandidatin Robredo überschwemmt worden seien.
Marcos will den autoritären Kurs des scheidenden Präsidenten Rodrigo Duterte, der nicht für eine weitere Amtszeit kandidieren durfte, fortführen; die Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen und Korruption ist unter seiner Regierung nicht zu erwarten. Dem 64jährigen als Vizepräsidentin zur Seite stehen wird voraussichtlich die mit ihm verbündete Sara Duterte, die Tochter des bisherigen Präsidenten. In der separaten Wahl für die Vizepräsidentschaft hat sie nach ersten Hochrechnungen mehr als 60 Prozent der Stimmen erhalten.
Als Gründe für Marcos’ Erfolg nennen einige Beobachterinnen und Beobachter, dass viele Wählerinnen und Wähler die Diktaturzeit selbst nicht miterlebt haben, die Verbreitung von Falschinformation und den Frust über vorherige Regierungen wegen fehlender Fortschritte seit 1986 – der sich aber offenbar kaum auf Dutertes autoritäre Präsidentschaft erstreckt.