Deutschland hofiert die Golfmonarchien, um russisches Erdgas zu ersetzen

Türöffner am Golf

Die Bundesregierung strebt eine langfristige Energie­zusammen­arbeit mit den Golfmonarchien an. Das ist klimapolitisch desaströs und trägt zur Eskalation der Konflikte in der Region bei.
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Es wäre naiv gewesen, von der deutschen Politik als Reaktion auf den Ukraine-Krieg eine angemessene Reaktion wie eine rasante Beschleunigung des Ausbaus erneuerbarer Energiequellen zu erhoffen. Aber auch geringe Erwartungen können noch enttäuscht werden – nicht einmal die absurde Regel in Bayern, der zufolge Windräder nur in mindestens zehnfachem Abstand ihrer Höhe zu den nächsten Wohnhäusern errichtet werden können, steht zur Disposition.

Da der Erdgasverbrauch kaum reduziert wird, muss anderswo eingekauft werden, und nur wenige Staaten, die in großem Ausmaß fossile Brennstoffe exportieren, sind demokratisch verfasst. Dafür gibt es einen Grund: In einem »Rentenstaat«, dessen Einnahmen überwiegend in einem einzigen Wirtschaftssektor generiert werden, kann die Regierung es sich leisten, die Produktivität der anderen Sektoren zu vernachlässigen und wenig Rücksicht auf die Bevölkerung zu nehmen. Überdies verfügt die Führungsschicht über viel Geld zur freien Verfügung; so kann sich das winzige Katar eine ambitionierte Außenpolitik leisten, die nicht zuletzt in der Unterstützung islamistischer Terrorgruppen besteht.

Es wäre noch nachvollziehbar, würde die EU nun ohne Rücksicht auf die Menschenrechtslage in aller Welt kurzfristig so viel Flüssiggas wie möglich einkaufen. Dafür aber muss man die Golfmonarchen nicht hofieren, wie es Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) in Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) getan hat. In Katar hat Habeck nach eigenem Bekunden »großartigerweise« eine langfristige Energiezusammenarbeit vereinbart und sich als »Türöffner« für deutsche Geschäfte betätigt. In den VAE wurden zudem Verträge über die Kooperation bei der Produktion von »grünem«, also mit erneuerbaren Energien produziertem Wasserstoff abgeschlossen.

Die Bundesregierung versucht nicht einmal zu verbergen, dass sie eine langfristige Kooperation mit Diktatoren am Golf anstrebt, die offenbar die gescheiterte strategische Partnerschaft im Energiesektor mit Russland ersetzen soll. Damit soll vermutlich die Machtposi­tion Deutschlands auf dem EU-Energiemarkt »zukunftsfähig« gesichert werden. Deutschland kann derzeit pro Jahr mehr als dreimal so viel Erdgas importieren, wie im Inland verbraucht wird, diese Überkapazitäten können für den Wasserstofftransfer genutzt werden.

Verdächtig ist, dass dafür ausgerechnet die VAE als Partner ausgesucht werden. Dort besuchte Habeck die Ökomodellstadt Masdar City, störte sich aber offenbar nicht daran, dass die ursprünglich für 2016 geplante Fertigstellung auf 2030 verschoben wurde. Ähnlich dürfte es sich mit dem »grünen« Wasserstoff verhalten. Der Wettbewerbsvorteil fossile Brennstoffe fördernder Staaten liegt darin, dass sie über billige Energie für die Wasserstoffproduktion verfügen. Das wäre dann zwar »grauer« Wasserstoff, doch lässt die bisherigen Zer­tifizierungspolitik der EU wenig Zweifel daran aufkommen, dass dies für lange Jahre akzeptiert werden wird.

Die deutsche Politik zeichnet sich in besonderem Maß durch nationale ­Alleingänge aus, obwohl es einen Energiebinnenmarkt der EU gibt. Doch ­andere westliche Staaten suchen ebenfalls eine engere Zusammenarbeit mit den Golfmonarchien, der britische Premierminister Boris Johnson etwa besuchte Mitte März Saudi-Arabien – wenige Tage nachdem dort 81 Menschen hingerichtet worden waren.

Die Massenhinrichtung ist auch ein Zeichen für die Instabilität der saudischen Monarchie, die Rentenstaaten insgesamt inhärent ist. Gesellschaftliche Spannungen können sich dort nur gewaltsam, bestenfalls im Versuch einer Revolution, aber auch in Terrorismus und Bürgerkrieg entladen. Überdies haben die Führungsschichten ein existentielles Interesse daran, die Abhängigkeit der Weltwirtschaft von fossilen Brennstoffen zu erhalten. Neue stra­tegische Kooperationen mit den Golfstaaten verzögern nicht nur den energie­politischen Umstieg, sie stärken auch die Selbstherrlichkeit der Monarchen und tragen zur Eskalation der Konflikte in der Region bei.