Die Evaluierung des Hamburgischen Staatsvertrags mit Islamverbänden ist eine Farce

Ein Pakt mit Islamisten

Zehn Jahre ist es her, dass Hamburg als erstes Bundesland einen Staats­vertrag mit Islamverbänden schloss. Dieser soll nun evaluiert werden, doch das positive Ergebnis scheint bereits festzustehen. Dabei sind in den Verbänden auch offen antisemitische Islamisten tätig.

Vor zehn Jahren schloss Hamburg als erstes Bundesland einen Staatsvertrag mit islamischen Verbänden. Bis zum November soll dieser evaluiert und bei positivem Ergebnis verlängert werden. Während sich die Regierungs­parteien SPD und Bündnis 90/Die Grünen bereits 2020 in ihrem Koalitionsvertrag auf eine Weiterführung des Staatsvertrags festgelegt haben, lehnen CDU und FDP diese ab. Aber auch bei den Grünen melden sich mittlerweile Kritiker.

Das zentrale Problem des Vertrags ist, dass er mit Verbänden abgeschlossen wurde, deren Mitglieder teilweise von ausländischen Diktaturen beeinflusst werden und ein islamistisches Programm verfolgen. Diese Verbände dienen also nicht den Interessen der in Hamburg lebenden Muslime, sondern instrumentalisieren sie vielmehr für ihre eigenen politischen Zwecke. So ­bescheinigt das Landesamt für Verfassungsschutz Hamburg beispielsweise dem Islamischen Zentrum Hamburg (IZH), »ideologisch, organisatorisch und personell ein Außenposten des Teheraner Regimes«, der Islamischen Republik Iran, zu sein. Das IZH ist Teil der Schura, des Rats der islamischen Gemeinschaften in Hamburg, und über diesen Dachverband in den Staatsvertrag eingebunden.

Der Staatsvertrag wurde mit Verbänden geschlossen, deren Mitglieder teilweise von ausländischen Diktaturen beeinflusst werden und ein islamistisches Programm verfolgen.

Auch der Verband Ditib ist Vertragspartner. Die Ditib ist der türkischen ­Religionsbehörde unterstellt und gilt schon lange als verlängerter Arm des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan.

Wieso hält der hamburgische Senat an einem Vertrag mit diesen Verbänden fest? Volker Beck, ehemaliger religionspolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag und Lehrbeauftragter am Zentrum für religionswissenschaftliche Studien an der Universität Bochum, sieht im Gespräch mit der Jungle World ein »grundlegendes Informationsdefizit« der Politik, das die Aus­gestaltung der Zusammenarbeit mit muslimischen Organisationen erschwere. Er fordere deshalb, sagte er, die Einrichtung einer Stiftung für ­Wissenschaft, Religion und Politik, die bei der Bewertung der Verbände in ­Zukunft helfen könne.

Die islamistische Orientierung ist insbesondere beim IZH deutlich zu ­erkennen. Im Januar 2020 veranstaltete das Zentrum eine Trauerveranstaltung für den von einer US-amerikanischen Drohne im Irak getöteten iranischen General Qasem Soleimani. Der Kommandeur der iranischen Quds-Brigaden war verantwortlich für die Unterstützung von Terrormilizen im Gaza-Streifen, im Irak und in Syrien, wo er mit militärischer Unterstützung dafür sorgte, dass der Diktator Bashar al-Assad an der Macht blieb. Ein religiöses Amt bekleidete er nicht.

Der Charakter des IZH wurde in der Vergangenheit besonders deutlich am sogenannten al-Quds-Tag, mit dem für die Vernichtung Israels geworben wird. Jahrelang war das IZH an der Organisation des Marschs in Deutschland beteiligt. Remko Leemhuis, der Direktor des American Jewish Committee in Berlin, fordert im Gespräch mit der Jungle World, diese Tatsachen endlich ernst zu nehmen. Der Staatsvertrag müsse so lange ausgesetzt werden, bis das IZH nicht mehr zur Schura gehöre. Zudem sollten die Behörden endlich ein Verbot des IZH prüfen.

Es scheint jedoch, als würde sich der Senat mit einer kosmetischen Maßnahme zufriedengeben: Im November vergangenen Jahres hat sich das IZH aus dem Vorstand der Schura zurückgezogen. Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) begrüßte dies.

Der Sprecher der »Säkulare Grünen«, einer parteiinternen Bundesarbeits­gemeinschaft von Bündnis 90/Die Grünen, Walter Otte, sieht darin im Gespräch mit der Jungle World allerdings nur eine »taktische Maßnahme«, die die Verhandlungsposition der Schura im Evaluierungsprozess verbessern solle.

Doch nicht nur das IZH stellt in der Schura ein Problem dar, wie ein Blick auf ihren Vorsitzenden Fatih Yildiz zeigt. Er ist auch Vorsitzender der Centrum-Moschee, die zur »Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş« (IGMG) gehört. Die Organisation wird zwar in Hamburg seit 2014 nicht mehr als extremistisch eingestuft und auch nicht mehr vom dortigen Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet, durchaus aber in anderen Bundesländern. So sieht der baden-württembergische Verfassungsschutz in der IGMG die »bedeutendste Organisation des legalistischen Islamismus in Deutschland«. Sämtliche IGMG-Institutionen würden von der gemeinsamen »Zielrichtung ­einer islamischen Ordnung« geleitet, heißt es im aktuellen Verfassungsschutzbericht von Baden-Württemberg. Die IGMG versuche, sich als Ansprechpartnerin der Politik zu etablieren, orientiere sich aber noch immer an Necmettin Erbakan, dem Gründer der Millî-Görüş-Bewegung. Die pflege die alten Feindbilder weiter, zu denen der Zionismus und der »rassistische Imperialismus der USA und der EU« gehörten.

Die Ditib Nord steht wegen extremistischer Äußerungen einiger ihrer Vorstandsmitglieder erneut im Fokus der Öffentlichkeit. Der Spiegel veröffentlichte kürzlich eine Recherche über »Hardliner« im Vorstand des Regionalverbands, zu dem auch die Gemeinden in Hamburg gehören. Unter der Leitung von Mehmet Gök sei die Ditib Nord nicht nur enger an die türkische Regierung, sondern auch in die Nähe der rechtsextremen Grauen Wölfe gerückt. Die Ideologie der Grauen Wölfe zeichnet sich durch Antisemitismus, Rassismus und Hass auf Minderheiten aus. Kurdische Aktivisten, Politikerinnen oder türkische Oppositionelle in Deutschland schildern immer wieder Übergriffe aus diesem Milieu.

Trotz dieser alarmierenden Entwicklungen baut der hamburgische Senat die Kooperation mit den islamischen Verbänden weiter aus. Im Juni des vergangenen Jahres beschloss die Bürgerschaft, der Schura und der Ditib einen Sitz im NDR-Rundfunkrat sichern zu wollen. Und im Dezember wurde ein Antrag vorgelegt, der Ditib und Schura einen Sitz im Landesjugendhilfeausschuss zugestehen soll.

Der Fraktionssprecher für Religionspolitik der Grünen in der Hamburgischen Bürgerschaft, verteidigt die Entscheidungen gegen Kritik: Es ginge ­jeweils um »maximal einen gemeinsamen Sitz« für die Verbände, sagt er der Jungle World. »Aus unserer Sicht sollten in beiden Gremien gesellschaftlich relevante Akteure gleichberechtigt repräsentiert und beteiligt sein.« Dies gelte »natürlich auch für Gruppen, ­deren Ansichten sich nicht mit unseren grünen Positionen decken und mit ­denen wir bei verschiedenen Themen im Widerspruch stehen. Dazu gehören auch konservative muslimische Religionsgemeinschaften. Es ist legitim, dass sie unter vielen Mitgliedern eine Stimme erhalten.«

Dies sieht die Bürgerschaftsabgeordnete Gudrun Schittek (ebenfalls Bündnis 90/Die Grünen) anders. Nicht nur das IZH, welches das »Terrorregime im Iran« vertrete, könne kein Partner der Stadt Hamburg sein. Auch ein Teil der Moscheevereine der Ditib vertrete »eine islamistische Ideologie, die Grundgesetz und Menschenrechte ablehnt, antidemokratisch, frauenfeindlich, anti­semitisch und homophob« sei, sagt Schittek der Jungle World. Gerade für Mädchen und junge Frauen sei der Einfluss dieser Vereine in der Jugendhilfe »fatal, denn gerade ihre Rechte in patriarchalischen familiären Strukturen gilt es zu stärken«.

Der Hamburger Verein Säkularer ­Islam fordert darüber hinaus eine Auseinandersetzung mit dem, was in den Moscheen gepredigt wird. Vorstandsmitglied Paul Nellen sagt der Jungle World, der Senat müsse die islamischen Vertragspartner ganz konkret fragen, wie sie zur Sharia stehen. Diese sei in vielen Punkten »inkompatibel mit den fundamentalen Prinzipien der Demokratie«, was auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in mehreren Urteilen festgestellt habe, wie Nellen betont. Sein Verein kritisiert auch ein grundsätzliches Problem: Die Mehrheit der Muslime in Hamburg lebe säkular und werde von den Vertragspartnern des Senats gar nicht vertreten.

Walter Otte sieht das ähnlich. Es widerspreche dem »Grundgedanken der Demokratie, erzkonservative, reaktio­näre und nationalistische Vereinigungen zu Repräsentanten einer Bevölkerungsgruppe zu erheben, wenn diese in ihrer Gesamtheit deutlich progres­siver« sei.

Trotzdem ist davon auszugehen, dass die Vertragspartner bei der Evaluierung weitgehend unter sich bleiben. Der Vertrag dürfte kaum einer ernsthaften Revision unterzogen werden. Vielmehr steht zu befürchten, dass die Islamverbände, in denen aus autoritären Staaten gesteuerte islamistische und antisemitische Funktionäre am Werk sind, wachsenden Einfluss auf die ­Jugendarbeit, den Religionsunterricht und öffentlich-rechtliche Medien erhalten.