Der Schlamassel mit der Auf­he­bung der Präsenzpflicht an Berliner Schulen

Lernen im Wohnzimmer

Klassenkampf Von

Zugegeben, es sieht nicht gut aus: Die Berliner Inzidenzzahlen gehen an die zweitausend, in einigen Bezirken sogar an die dreitausend. Glücklicherweise lässt der Berliner Senat uns auch in diesen harten Zeiten nicht hängen: Er reagierte schnell und konsequent, indem er die Präsenzpflicht an den Schulen aufhob. Das hat viele Vorteile: Einerseits können Eltern, denen die hohen Inzidenzen an den Schulen Sorge bereiten, einfach ihre Kinder zu Hause selbst betreuen. Andererseits entsteht auch kein Problem für Eltern, die das nicht können, denn die Betreuung durch die Schule bleibt gewährleistet und die betroffenen Kinder und ihre Eltern können sich ja zum Beispiel einfach mal nicht so anstellen.

Hinzu kommt, dass die Rechtssicherheit im Bereich Klausuren und Klassenarbeiten, deren Anzahl übrigens nicht reduziert wird und für die die Präsenzpflicht nicht ausgesetzt ist, gewahrt bleibt. Dies ist der Fall, weil alle Kinder, deren Eltern ihnen beim Lernen nicht helfen können und die zudem ahnen, dass sie davon überfordert sein werden, sich den Stoff alleine zu Hause anzueignen, schließlich die Möglichkeit haben, den bereits beschriebenen Trick anzuwenden, nämlich die Arschbacken zusammenzukneifen und sie dann jeden Tag in die Schule zu bewegen, um ein Versagen bei Prüfungen abzuwenden. Wer dagegen sein Kind zu Hause lassen will, sollte schon mal eine kleine Tafel ins Wohnzimmer stellen und den aktuellen Mathestoff googeln, denn Videokonferenzen werden genauso wenig stattfinden, wie es von Lehrern persönliches Feedback für Aufgaben geben wird: Wir sind ja in den Schulen und mit Unterrichten beschäftigt und die meisten von uns haben dort immer noch nicht genug Bandbreite für Live­streams aus allen Klassenzimmern. Aber keine Sorge, Frau Astrid-Sabine Busse, die neue Berliner Bildungssenatorin (SPD), ist sich dessen durchaus bewusst und hat auch für dieses Problem eine Lösung: Vergangene Woche wies sie darauf hin, dass »gute Lehrerinnen und Lehrer« die Defizite durch Vorbereitungen während der Winterferien ausgleichen würden. Abgesehen davon, dass es schwierig ist, für noch unbearbeitete Aufgaben vorab individuelles Feedback zu entwerfen, und davon, dass die Alternative im Verschicken von Modelllösungen besteht, die die Kinder oft nicht verstehen, sowie davon, dass unklar ist, für welchen Zeitraum wir hätten vorarbeiten sollen, absehend von überhaupt allen Dingen, die mit Sinn und Funktion von Unterricht zu tun haben, und nur mit Blick auf mein eigenes kleines Leben, möchte ich dazu aus der letzten Reihe, genau, aus der mit den extraschlechten Drückebergerlehrerinnen, laut, und ohne mich zu melden, reinrufen: Fuck you, Mrs. Busse, fuck you very much!