Small Talk mit mit Peter Rüttgers, Aktion 3. Welt Saar, über islamistische Gruppen im »Unteilbar«-Bündnis

»Genauer hingucken, wer dabei ist«

Am 4. September will das Bündnis »Unteilbar« eine Großdemonstration in Berlin veranstalten. Es fordert kurz vor der Bundestagswahl mehr gesellschaftlichen Zusammenhalt und soziale Gerechtigkeit. Die Jungle World sprach mit Peter Rüttgers, Mitglied des »Kompetenzzentrums Islamismus« der Aktion 3. Welt Saar, das Kritik an einigen Bündnispartnern wegen deren konservativer bis reaktionärer Ausrichtung geäußert hatte.
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Was halten Sie von der »Unteilbar«-Demonstration am 4. September?

Erstmal finde ich den Slogan »unteilbar« gut, da er sich gegen Rassismus und Ausgrenzung richtet und auch die Umverteilung von unten nach oben thematisiert. Gerade diesen sozialpolitischen Aspekt halte ich für wichtig. Allerdings kritisieren wir als Kompetenzzentrum Islamismus die Beteiligung von zwei Organisationen, die Erstunterzeichner des Aufrufs sind. Zum einen geht es um das Aktionsbündnis muslimischer Frauen (AmF) und zum anderen um das Deutsche Muslimische Zentrum Berlin (DMZ). Beide haben streng konservative bis islamistische Tendenzen. Christliche Gruppierungen mit ähnlichen Ansichten wie Opus Dei und Evangelikale würde man ja ebenfalls nicht auf seiner Demo haben wollen.

Was ist die konkrete Kritik an diesen beiden Organisationen?

Das AmF befürwortet beispielsweise das Tragen des mus­limischen Kopftuchs, auch im Schuldienst. Sie agitieren unter anderem gegen das Berliner Neutralitätsgesetz, bezeichnen es als »Berufsverbot« und ­setzen sich so im Grunde gegen die Trennung von Staat und Religion ein. Das DMZ wird mit Organi­sationen der Muslimbruderschaft in Verbindung gebracht. DMZ-Gründungsmitglied Mohammad Imran Sagir ist Mitglied bei dem Moscheeverein Inssan und betreibt für Islamic Relief das Muslimische Seelsorge-Telefon. Islamic Relief und Inssan werden seit Jahren von Sicherheitsbehörden und Experten dem Netzwerk der Muslimbruderschaft zugerechnet. Zuletzt verwies die Bundesregierung im Rahmen einer Kleinen Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion auf »signifikante personelle Verbindungen zur Muslimbruderschaft« bei Islamic Relief.

Ist es bei so vielen beteiligten Organisationen nicht egal, wenn darunter zwei mit etwas merkwürdigen Verbindungen und Ansichten sind?

Nein, der Meinung bin ich nicht. Wenn in einem emanzipatorischen Bündnis Gruppen mit konser­vativen oder islamistischen Ansichten vertreten sind, ist das nicht egal. Dass in dem Bündnis liberale oder säkulare Muslime und Musliminnen wie der Liberal-Islamische Bund vertreten sind, finde ich gut. Es stellt sich die Frage, mit wem man in so einem Bündnis zusammenarbeiten möchte, und wir wollen und können nicht mit reaktionären Organisationen kooperieren.

Gab es in der Vergangenheit bereits Kritik an der Bündnispolitik von »Unteilbar«?

Bereits 2018 gab es in der Jungle World eine Diskussion darüber, ob man mit Islamisten ­demonstrieren soll, und von dem Blogger Schmalle deutliche Kritik an der Beteiligung des Zentralrats der Muslime an dem Bündnis. Diese wurde von der zweiten Vorsitzenden von Terre des Femmes, Inge Bell, aufgegriffen, die Aktion 3. Welt Saar hat sich ebenfalls schon damals kritisch zum »Unteilbar«-Bündnis geäußert. Die Deutsch-Israelische Gesellschaft Leipzig wiederholte diese Kritik 2019 in einem Interview mit der Jungle World und wurde auf der Demonstration in Dresden wegen des Mitführens von Israelfahnen bedrängt. Ich finde wichtig, dass man diese Kritik öffentlich macht und nicht Bündnisse mit Organisationen eingeht, die linke universalistische Grundsätze antasten.