Wie Naziterror in Deutschland türkischen Faschisten in die Hände spielt

Merkels offenes Versprechen

Der Deutsche Bundestag will Nationalismus und Rassismus »die Stirn bieten« und den Einfluss der Grauen Wölfe in Deutschland zurückdrängen. An diesem trägt die deutsche Politik jedoch eine Mitschuld.

Am 18. November stimmten alle Bundestagsfraktionen mit Ausnahme der AfD-Fraktion einem gemeinsamen Antrag von CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen zu. Auch die Abgeordneten der Linkspartei, deren eigener Antrag inhaltlich weiter gegangen wäre, stimmten zu. In der Entschließung begrüßt der Bundestag das in Frankreich erlassene Verbot der Grauen Wölfe und verbindet damit »die Hoffnung, dass weitere Staaten diesem Beispiel folgen«. Er benennt die sogenannte idealistische Ülkücü-Bewegung und ihre Dachverbände ADÜTDF und Atib als Organisationsformen des großtürkischen Nationalismus. Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Aktivitäten dieser Bewegung genau zu beobachten und Verbote gegen ihre Vereine zu prüfen.

Der Beschlusstext vermeidet vorerst den Begriff der Verfassungsfeindlichkeit und spricht stattdessen von Aktivitäten, die sich »gegen die Werte unseres Grundgesetzes« richteten. Das soll heißen: Der Verfassungsschutz soll ADÜTDF und Atib unter Beobachtung stellen. Dann sieht man weiter.

Ein Antrag der AfD-Fraktion bezeichnete die Grauen Wölfe als die »größte rechtsextremistische Organisation in Deutschland«. Doch diesem bauernschlauen Manöver der Partei, von sich selbst abzulenken, folgte die große Mehrheit der Abgeordneten nicht. (Die AfD hat fast fünf Mal so viele Mitglieder wie die Vereine der Türk Federasyon, des größten Dachverbands der Grauen Wölfe in Deutschland.) Vielmehr wendet sich der Bundestag »gegen jedes Weltbild, das auf den Wahn von Rasse und Weltherrschaft gebaut ist«. Die Bekämpfung des Rechtsextremismus, »sei er deutscher oder ausländischer Provenienz«, müsse in einem Land »mit unserer Geschichte« zur Staatsräson gehören.

Das klingt erst einmal nicht verkehrt. Doch wo war die Entschlossenheit des Rechtsstaats, als es um die Aufklärung von Nazimorden ging beziehungsweise immer noch geht? Nicht nur die Angehörigen der Opfer des NSU und nicht nur die Bürger türkischer Herkunft erinnern sich noch, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf jener Gedenkveranstaltung am 23. Februar 2012 versicherte, alle zuständigen Behörden arbeiteten mit Hochdruck daran, »die Morde aufzuklären und die Helfershelfer und Hintermänner aufzudecken und alle Täter ihrer gerechten Strafe zuzuführen«. Zur gleichen Zeit waren maßgebliche Behörden in Bund und Ländern bekanntlich damit beschäftigt, Hunderte von Akten zu schreddern. Am Ende enttäuschte der Münchner NSU-Prozess die Hoffnungen vieler, das Ausmaß der Verstrickung deutscher Behörden in den NSU-Komplex aufzuklären.

Solange Merkels Versprechen nicht erfüllt ist und solange sich die deutsche Politik daran nicht stört, werden der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan und seine Hilfstruppen immer wieder Gehör auch bei manchen Menschen finden, die Erdoğan als Landsleute und Glaubensbrüder anspricht, auch wenn sie seinen Vorstellungen ansonsten wenig abgewinnen können und wissen, dass sie hier trotz allem besser aufgehoben sind und mehr Rechte und Freiheiten genießen, als es in der Diktatur des »Reis« jemals der Fall wäre. Nur die Türkei kann eure Heimat sein, lautet die demagogische Einflüsterung, nur die Türkei steht hinter euch und nur in einer starken und großen Türkei werdet ihr selber stark und groß sein (wenn man mal von der Währung absieht).

Ein konsequentes Vorgehen gegen deutsche Rechtsextreme ist letztlich auch entscheidend, um der islamisch-nationalistischen Propaganda eines ihrer Scheinargumente zu nehmen. Dafür muss hierzulande noch einiges getan werden.