Feministinnen streiten über Transfeindlichkeit

Der Streit ums Frausein

Feministinnen streiten. Vorwürfe wie »Du Terf« oder »Die Trans­genderideologie zerstört den Feminismus« sind laut geworden. Dabei geht es eigentlich um mehr als die Zugehörigkeit zu einem Geschlecht.

Die Bezeichnung Terf steht für »trans-exclusionary radical feminist«, für feministische Gruppierungen und Personen, die Transfrauen ausschließen. In Feministischen Kreisen ist darüber ein heftiger Streit entbrannt. Daria Majewski zeichnet die Debatte nach.

 

Mit der Abkürzung Terf (trans-exclusionary radical feminist) werden Feministinnen bezeichnet, die in ihrer Gesellschaftsanalyse und politischen Praxis transgeschlechtliche Frauen vom Frausein ausschließen. Diese Position wird primär sogenannten Radikalfeministinnen zugeschrieben, meist wird er jedoch allgemein für Feministinnen verwendet, die sich kritisch, ablehnend oder abschätzig über transgeschlechtliche Menschen äußern und ihre politische Praxis entsprechend gestalten. Statt Positionen als transfeindlich zu bezeichnen, wird der Vorwurf der Transfeindlichkeit auf eine politische Gruppe und konkrete Menschen gleichermaßen verengt. Treffen kann er jede Frau, die eine unliebsame Position vertritt, unabhängig von ihrer politischen Ausrichtung und unabhängig davon, ob sie sich nun tatsächlich transfeindlich äußert. Schon der Slogan »Viva la Vulva« kann zu entsprechenden Vorwürfen führen. Die Doktrin der subjektiven Empfindung wird über objektive Analysen gestellt.

Schon der Slogan »Viva la Vulva« kann zu Vorwürfen wegen angeb­licher Transfeindlichkeit führen.

Tatsächlich gibt es transfeindliche Positionen auch bei Feministinnen, die etwa transgeschlechtliche Frauen als Vergewaltiger imaginieren oder Angst vor einer Transgenderideologie schüren, die zur Verstümmelung von Kindern führe. Die Imagination einer konsistenten und wirkmächtigen Transgenderideologie ist eng verwoben mit der rechtskonservativen Analyse gesellschaftlicher Veränderung in Fragen von Geschlecht und Sexualität. Seit mehreren Jahren warnt zum Beispiel die neurechte Publizistin Birgit Kelle vor der »Genderideologie«: Kinder würden »verschwulen«, die Kernfamilie erodiere und durch die Entnaturalisierung von Geschlecht würde ein androgyner Zukunftsmensch erschaffen.  »Homolobby« oder »Feminazis« werden als Strippenzieher einer Weltverschwörung herbeiphantasiert.

Zugespitzt auf Transgeschlechtlichkeit, folgt der Vorwurf praktizierter Transgenderideologie einer ähnlichen Logik. Diese würde Kinder zur Transition verführen sowie Lesben- und Frauenaktivismus zerstören. Vergewaltiger und Psychopathen könnten durch Personenstandsänderung Frauenräume infiltrieren und dort ihr Unwesen treiben. Es wird behauptet, man wolle lediglich kritisch diskutieren und Kritik an diesen Behauptungen wird als Ausdruck verletzter Gefühle abgetan.
So aktuell diese Konflikte sind, so alt sind sie auch. Mit dem Aufkommen einer popkulturellen und identitätsbildenden Frauenbewegung vor hundert Jahren gingen auch  erste Artikulationen von damals so genannten Transvestiten einher. Während Frauen alte Rollen abwarfen, sich einen Bubikopf schnitten, als Angestellte verdingten, Sport trieben und Freundschaften zu Männern pflegten, artikulierten sich auch in Frauenzeitschriften Transvestiten, von denen manche davon träumten, eine Frau zu sein. Das brachte Konflikte hervor: Wer und was ist eine Frau? Kann ein Mann eine Frau werden? Die Diskutantinnen der zwanziger Jahre erklärten die Hausarbeit zum Kriterium: Man könne Frau werden, wenn man Frauenkleidung trage und putze.

Wie die US-amerikanische Historikerin und Filmemacherin Susan Stryker in ihrem Film »Screaming Queens: The Riot at Compton’s Cafeteria« dokumentiert, wurde der Traum, eine Frau zu sein, ohne deshalb bestimmte soziale Rollen übernehmen zu müssen, im Zuge der Bürger- und Menschenrechtsbewegungen der sechziger Jahre von Europa bis in die USA für viele wahr. Aus sogenannten Queens, die auf dem Straßenstrich arbeiteten, wurden transsexuelle Frauen, die ihren Weg in die bürgerliche Mitte oder in Frauen- und Lesbengruppen suchten. Während noch immer gestritten wurde, was eigentlich eine Frau sei, wie sie zu einer werde und wo die Wurzel ihrer Unterdrückung liege, verschwammen die biologischen Grenzen zwischen den Geschlechtern durch technologischen und medizinischen Fortschritt.

Hormonersatztherapien und geschlechtsangleichende Operationen erlaubten es transgeschlechtlichen Menschen, sich cisgeschlechtlichen Körpernormen anzupassen. Bei manchen Feministinnen führte das zu Angst vor »umoperierten Männern«, von denen man annahm, sie könnten als U-Boote des Patriarchats Frauenräume infiltrieren. Mit den queeren Bewegungen der neunziger und nuller Jahre legten viele transgeschlechtliche Menschen den Zwang zur Operation aber auch wieder ab und wehrten sich gegen die Vereindeutigung ihrer Körper. Eine Frau könne also doch einen Penis haben und müsse sich nicht traditionellen Geschlechterrollen anpassen. Auch diese voluntaristische Vorstellung stößt auf Widerspruch und so machen sich Forderungen breit, beweisen zu können und zu müssen, eine Frau zu sein.

100 Jahre, zwei Frauen- und verschiedene Bürger- wie auch Emanzipationsbewegungen hindurch hat er angedauert – doch der Konflikt zwischen trans- und cisgeschlechtlicher Weiblichkeit ist nicht gelöst. Das wirft die Frage auf, inwiefern diese Debatte auf eine gesamtgesellschaftliche Problematik verweist.

Der sich an cis- und transgeschlechtlicher Weiblichkeit entzündende, und im Konflikt »Terf –Transgenderideologie« sich zuspitzende Streit betrifft eigentlich alle. Es zeigt sich hier die gesamtgesellschaftliche Frage, was Geschlecht ist, und im spezifisch feministischen Kontext, wie Geschlecht als Herrschaftskategorie zu überwinden wäre. Terf versus Transgenderideologie ist allerdings – und das ist die Schwierigkeit – keine abstrakte Theoriedebatte. Sie berührt gerade Frauen aufs intimste, ist persönlich und  affekthaft. Die spannungsgeladene Erfahrung der Vergeschlechtlichung, die sich am Körper und dessen gesellschaftlicher Konnotation vollzieht, ist stets eine kränkende. Aufgrund des eigenen Körpers muss man lernen, nicht alles sein zu können. Aufgrund der Körperlichkeit werden einem soziale Rollen aufgezwungen, die zwar lustvoll sein können, doch auch oft einengend sind. Neben dem Unwohlsein mit der Enge von Geschlecht entwickeln sich manche Frauen entsprechend ihrer Körperlichkeit zu Frauen, andere entgegen dieser. Beiden gemeinsam ist die Erfahrung, durch den Körper gefesselt zu sein: Cisgeschlechtliche Frauen an ein vermeintlich natürliches Frausein, transgeschlechtliche Frauen an ein vermeintlich unmögliches Frausein.
Über diese Kränkungen  hinaus zeichnen sich an den politischen Fronten und in den wechselseitigen Vorwürfen verschiedene Lösungsstrategien ab, die gesucht werden, um mit der spannungsgeladenen Erfahrung der Vergeschlechtlichung umgehen zu lernen. Dabei spielt es keine Rolle, ob jemand trans- oder cisgeschlechtlich ist. In den beiden Lagern finden sich alle möglichen Geschlechter wieder. Die einen analysieren gesellschaftliche Realitäten. In der Imagination einer Transgenderideologie verharren sie jedoch selbst in den regressiven Strukturen. Die anderen leben schon in der Zukunft, wo Körper und Geschlecht frei sein sollen. Sie vergessen, nach der gesellschaftlichen Durchdringung der Subjekte zu fragen, und die Angst vor Unfreiheit führt zu Blindheit für diese. Die Einbettung individueller traumatischer Erfahrungen in Theorie und Politik, die wesentlich ist für emanzipatorische Kämpfe, bringt auf allen Seiten Affekte hervor.

Doch Affekte wiederum sind keine gute Grundlage emanzipatorischer Politik. Sie sind subjektiv, unreflektiert und von Träumen genährt. Affekte mit theoretischem Überbau als fundierte Analyse und emanzipatorische Praxis zu verkaufen, kann nur Polarisierung produzieren.