Die Homöopathie sorgt bei den Grünen weiter für Streit

Das Universum ist kein Ponyhof

Der Grünen streiten weiter über den Umgang mit der Homöopathie.
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Man kann über vieles abstimmen und nach Kompromissen suchen, aber wenn es um wissenschaftliche Fakten geht, sind solche Verfahren Mumpitz. Und so war die Idee des Bundesvorstands von Bündnis 90/Die Grünen, den innerparteilichen Streit über den Umgang mit der Homöopathie durch eine Kommission lösen zu lassen, in der die Gegner der Zuckerkügelchen gemeinsam mit deren Anhängern sitzen, von vornherein zum Scheitern verurteilt. Dass Homöopathie nicht wirkt, ist genauso bewiesen wie die Tatsache, dass die Erde sich um die Sonne dreht. Andersherum wäre es vielleicht auch nett, aber das Universum ist kein Ponyhof.

Der Vorstand sei »einstimmig zu dem Ergebnis gekommen, dass eine vertrauensvolle und erfolgreiche Arbeit dieser Kommission nicht möglich ist«, zitierte die Taz aus einem Vorstandsbeschluss. »Die Debatte um die ›Homöopathie‹ war von Anfang an durch einen aggressiven und teilweise polemischen Ton beschwert«, hieß es im Jammerton. Nun soll der Vorstand in der Frage entscheiden.

Dass Homöopathie nicht wirkt, ist genauso bewiesen wie die Tatsache, dass die Erde sich um die Sonne dreht. Andersherum wäre es vielleicht auch nett, aber das Universum ist kein Ponyhof.

Dass die Parteiführung den Streit entschärfen will, ist taktisch nachvollziehbar. Seit über einem Jahr erfreut sich die Partei anhaltend hoher Umfragewerte und guter Wahlergebnisse. Das liegt nicht nur an der Klimadebatte. Die Grünen sind auch in vielen anderen Fragen eine Projektionsfläche für die Wünsche unterschiedlicher Wählergruppen. Will man diese zumindest bis zur nächsten Bundestagswahl halten, darf man sie nicht enttäuschen. Polarisierung schadet da nur. Dass es am Tag nach der Verkündung eines Koalitionsvertrages erst einmal mit der Zustimmung bergab gehen wird, dürfte allen Beteiligten klar sein.

Homöopathie ist jedoch ein Thema, das polarisiert. Es geht dabei um mehr als Zuckerkügelchen ohne Wirkung – es geht um das Verhältnis zur Wissenschaft. Wollen die Grünen eine moderne Partei sein, die bei der Lösung von Problemen den Stand von Wissenschaft und Forschung im Blick hat, oder ein Haufen von Schraten, die in den Innereien eines toten Tiers nach Erkenntnissen suchen? Einen Teil ihrer Klientel werden die Grünen so oder so verschrecken: Entweder jene, die wissen, dass der einzige belegbare Effekt der Homöopathie darin besteht, den Gläubigen für nichts viel Geld aus der Tasche zu ziehen, oder jene, die einem magischen Weltbild anhängen und mit der Aufklärung nicht viel anfangen können.

Die Debatte über Homöopathie ist für die Grünen toxisch, denn sie waren immer auch die Partei der Anthroposophen und Esoteriker. Nach der »Allgemeinen Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften« (Allbus) aus dem Jahr 2012 ist jeder Vierte hierzulande offen für Wunder- und Geistheiler. Esoterikmessen boomen, Scharlatane jeder Art verdienen gut mit Vorträgen. Diese Klientel wusste bislang zu schätzen, dass sie bei den Grünen zumindest nicht verhöhnt wurde und ein Mindestmaß an Akzeptanz fand.

Änderte sich das, könnte es nicht nur Wählerstimmen kosten, sondern es würde auch die Grünen verändern. Entscheiden sie sich dafür, sich klar auf die Seite wissenschaftlicher Erkenntnis zu stellen, könnten als Nächstes derzeit noch identitätsstiftende Positionen bei anderen Themen, wie etwa bei der Gentechnik, unter Druck geraten. Am Ende wären die Grünen eine ökologisch-liberale Partei, deren Nimbus der moralischen Überlegenheit sich in wissenschaftlich geprägten Diskursen auflösen würde wie ein Zuckerkügelchen im Morgenkaffee.