Das Meme »OK Boomer« wird zum Ausdruck eines Generationenkriegs stilisiert

Auch du kannst Boomer sein

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Es ist kein Zufall, dass die Gräben zwischen den Generationen – so fließend die Übergänge zwischen »Boomers«, »Generation X«, »Y« und »Z« auch sein mögen – in der Klimadebatte besonders tief zu sein scheinen. Denn selbst wenn man nicht so weit gehen möchte, pauschal zu behaupten, ältere Generationen hätten kein ökologisches Bewusstsein, sind es doch nicht selten Angehörige der Generation 50+, die die Klimabewegung als eine ablehnen, die ihnen etwas »wegnehmen« möchte, und die nun plötzlich fürchten, jüngere Menschen hätten heute nichts anderes im Sinn, als den Älteren ihr tägliches Fleisch, ihr Dieselauto und ihr Recht, in den Urlaub zu fliegen, abzusprechen.

Weil die Klimadebatte eine Debatte über die politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Gestaltung der menschlichen Zukunft ist, spielt darin auch die Zeit, und folglich das Alter, eine wichtige Rolle. In der US-Öffentlichkeit traf dies unzweifelhaft einen Nerv.

Die New York Times erklärte das Meme zum »Kampfschrei von Millionen genervten Kids« gegen ältere Menschen, »die einfach nichts verstehen«. »OK Boomer« sei eine »Sammelanwort« auf Donald Trumps Tweets und »im Grunde auf jede Person über 30, die etwas Herabwürdigendes über junge Menschen und die Themen, die ihnen wichtig sind, sagt«, so Lorenz. In ihrem Artikel lobt sie den Unternehmergeist der jungen Menschen, die ein florierendes Merchandising von OK-Boomer-Artikeln entstehen ließen und ihren Trend erfolgreich monetarisieren konnten.

Andere wiesen darauf hin, dass Generationenanalysen – sofern man ein aus zwei Worten bestehendes Meme für analytisch halten kann – wenig geeignet seien, um soziale und gesellschaftliche Verhältnisse zu beschreiben. Bhaskar Sunkara etwa, Herausgeber des linken Magazins Jacobin, machte aus der Generationen- eine Klassen­frage: Es sei sinnvoller, Klassenunterschiede zu untersuchen, als gemein­same kulturelle Merkmale innerhalb von Generationen zu erfinden, schrieb er im Guardian: »Ältere Arbeiter und Rentner brauchen Solidarität und keine reichen Kids, die ihnen ›OK Boomer‹ entgegenrufen.«

Und dann gab es die, die völlig auf die Provokation hereinfielen. Ein Beispiel lieferte der Radiomoderator Bob Lonsberry, der sich in einem mittlerweile gelöschten Tweet empörte, der Begriff »Boomer« sei das »N-Wort der Altersdiskriminierung«.

Auch in Deutschland ist das Meme als Ausdruck eines Krieges von Jung gegen Alt angekommen. Hier war es der Youtuber Rezo, dem die Zeit es überließ, deutschen Boomern das Meme im Jugendsprech zu erklären: »Die beliebte Boomerresponse auf ›OK, Boomer‹, wo der jeweilige Boomer dann immer glaubt, festhalten zu müssen, dass er sich selbst ja als Vater/Großvater/Arbeitnehmer/Öko/you name it sieht und eben nicht als Teil einer Generation, zeigt am Ende nur, wie nötig es ist, ihm diese Zugehörigkeit endlich mal unter die Nase zu reiben.« Dass jede und jeder ein Boomer sein kann, vorausgesetzt, er oder sie verfügt über die entsprechende Geisteshaltung, scheint Rezo zu entgehen. Er beschwert sich darüber, »Millennials« und »Generation Z« seien Konstrukte – doch »Boomer« dürfen sich ihm zufolge nicht gegen »diese Zugehörigkeit« wehren.

Ein »richtiges Alter«, um Boomer zu sein, gibt es nicht – das scheint die einzige Gewissheit in dieser Debatte zu sein. »Boomer«-Content findet sich überall – in den Medien, im Netz, auf der Straße, und er stammt aus allen Altersgruppen. Es ist gleichzeitig die totale Verweigerung der Kommuni­kation und ein Bekenntnis zu einer Zukunft, die aus der radikalen Veränderung der Gegenwart entstehen kann. Die »Zoomers«, die für diese Zukunft weltweit auf die Straße gehen, haben viel mehr zu sagen als »OK Boomer«. Man muss ihnen nicht nur zuhören, man sollte sie sehr ernst nehmen.