Nach einem mutmaßlichen ­»Ehrenmord« kommt es in der Westbank zu Protesten

Nicht mehr stillhalten

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Man kann darüber streiten, ob die Besatzungspolitik bei der Einigung der verfeindeten Parteien stört, mit dem Machtkampf zwischen Fatah und Hamas hat sie ansonsten aber wenig zu tun. Zudem hat es in zahlreichen arabischen Ländern trotz diktatorischer Regierungen Reformen gegeben. Das lag dort auch an den lautstarken Forderungen von Feministinnen.

Solchen Reformen vorangegangen war eine Veränderung der Debatte. Frauenrechtlerinnen wiesen darauf hin, dass die Fokussierung auf den israelisch-palästinensischen Konflikt vor allem den alten Regimes nütze. Sie begannen, die Veränderung der eigenen Gesellschaft anzugehen, und erwähnten Israel nur noch am Rande.

Liest man die Blogs und Kommentare in sozialen Medien zu Israa Ghrayeb, kann man eine solch radikale Abkehr von der bisherigen Debatte noch nicht feststellen. Jede im Protest engagierte Aktivistin erwähnt die israelische Besatzung. Aber der Tenor ist ein neuer. So sagte etwa die Initiatorin des ersten Protests, Manar Raje, dem Nachrichtenportal Middle East Monitor: »Wir haben eine Besatzung und wir sind gegen die Besatzung. Aber wir fangen mit uns selbst an.« Auf dem Blog Baby Fist findet sich neben Attacken auf »die Zionisten« auch die Klage: »Der Kampf von Frauen für ihre Rechte passt nicht in die idealisierte Erzählung der palästinensischen Befreiung. In den Augen zu vieler Menschen lässt es uns schlecht aussehen und beschädigt die Chancen, internationale Unterstützung zu bekommen, wenn wir über Frauen und LGBT-Rechte in Palästina reden. Deshalb gehen Bilder eines zerstörten Hauses viral, während der Mord an einem Mädchen unter den Teppich gekehrt wird.«