Die Brandenburger Landesregierung hat das Polizeigesetz verschärft – mit Beteiligung der Linkspartei

Fahnden mit links

Das Land Brandenburg hat seit der vergangenen Woche ein neues, schärferes Polizeigesetz. Die mitregierende Linkspartei hat der Novelle zugestimmt und erntet deshalb heftige Kritik.

In der vergangenen Woche hat Brandenburg, wie andere Bundesländer zuvor, seine Polizei mit neuen Befugnissen ausgestattet. Dem entsprechenden Landtagsbeschluss ging eine kurze, aber heftige öffentliche Debat­te voraus.

Den Entwurf für Gesetzesänderungen, die das Polizeigesetz nach bayerischem Vorbild verschärfen sollten, hatte der Landesinnenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) im Juni 2018 vorgelegt. Er las sich wie eine Wunschliste von Freunden des starken Staats: Schleierfahndung auf allen Durchfahrtsstraßen; einmonatige Meldeauflagen zur Unterbindung der Teilnahme an Demonstrationen oder Fußballspielen; Einführung der Quellen-Telekom­munikationsüberwachung (Quellen-TKÜ), dazu passend das Recht der ­Polizei, in Wohnungen einzudringen, um die benötigte Software auf technische Geräte aufzuspielen; Ausweitung der polizeilichen Videoüberwachung, Einführung von Bodycams für Beamte im Einsatz, Öffentlichkeitsfahndung bereits vor vermuteten Straftaten und die Ausstattung der Polizei mit Handgranaten. Zur besseren Terrorismusabwehr sollten die Befugnisse der Polizei durch präventive Ingewahrsamnahmen, Aufenthaltsgebote und Kontaktverbote, Online-Überwachung und die Ausweitung der automatischen Kennzeichenfahndung ergänzt werden.

In der Abstimmung zeigte sich die Brandenburger Linksfraktion keinesfalls gespalten. Als einzige Abgeordnete stimmte Isabelle Vandré gegen das Polizeigesetz.

Dieses Vorhaben stieß auf Missfallen bei der mitregierenden Linkspartei. Größer noch war die Ablehnung in der außerparlamentarischen Linken und in bürgerlich-liberalen Kreisen. Im Herbst 2018 gründete sich das »Bündnis gegen das neue Brandenburger Polizeigesetz«, dem sich 73 Organisationen und Einrichtungen anschlossen, von der Roten Hilfe über Juristenvereine, Migrantenorganisationen, Bürgerrechtsverbände, Studierendenvertretungen und Fußballfans bis zu den Jungen Liberalen. Dem Bündnis gelang es, am 10. November 2018 in Potsdam 2 000 Menschen gegen das geplante Polizeigesetz auf die Straße zu bringen – die vielleicht größte derartige ­Demonstration in der Geschichte des Bundeslands. Die Koalitionspartner einigten sich schließlich Anfang März auf einen Kompromiss: Im Gegenzug für eine Entschärfung des Polizeigesetzentwurfs – unter anderem wurde die sehr umstrittene Quellen-TKÜ ­gestrichen – soll der Verfassungsschutz 37 zusätzliche Stellen erhalten. Er wächst damit um ungefähr ein Drittel seines bisherigen Personalbestandes.

Je näher die Abstimmung über den Gesetzentwurf rückte, desto größer wurde der Druck auf die Brandenburger Linkspartei aus anderen Landesver­bänden und von der Bundespartei, angesichts der verbliebenen Verschärf­ungen, wie zum Beispiel der­ Ausdehn­ung der Schleierfahndung, die Novelle nicht mitzutragen. Am 10. März äußerte sich der Bundesausschuss der Linkspartei entsprechend, einen Tag später veröffentlichten Funktionärinnen und Funktionäre der Partei, darunter Bundestagsabgeordnete, Mitglieder des Bundesvorstands und mehrerer Landesvorstände, einen offenen Brief an den Brandenburger Landesverband, den sie aufforderten, dem Gesetz auf keinen Fall zuzustimmen. Sie sehen die Glaubwürdigkeit der Linkspartei im Widerstand gegen ähnliche Gesetzesvorhaben in anderen Bundesländern in Gefahr.

Das »Bündnis gegen das neue Brandenburger Polizeigesetz« äußerte ­harsche Kritik und forderte die Landtagsfraktion auf, das Gesetz abzulehnen. Auch hier wurden die gegensätzlichen Ansichten in der Partei deutlich: Das Bündnis wurde maßgeblich von der Brandenburger Linksjugend mitge­tragen, mehrere Kreisverbände der Linkspartei unterstützten es.

In der entscheidenden Abstimmung im Landtag am 13. März zeigte sich die Fraktion jedoch keinesfalls gespalten. Als einzige Abgeordnete der Links­partei stimmte Isabelle Vandré gegen das Gesetz. Sie gilt als Vertreterin einer jüngeren und bewegungsorientierten Linken in der Fraktion. Der ehemalige Justizminister Volkmar Schöneburg ent­hielt sich. Die Potsdamer Abgeordnete Anita Tack, die noch einen Tag vor der Abstimmung öffentlich versichert ­hatte, sie werde nicht zustimmen, tat es dann doch. Sie und ihre Kollegin ­Margitta Mächtig sagten nach der Abstimmung, dass sie das verabschiede­te Gesetz jedoch persönlich ablehnten. Auch der Landesvorstand und die Abgeordnete Andrea Johlige sahen sich gezwungen, sich zu rechtfertigen.

In diesen Erklärungen wurden zwei Gründe für die Zustimmung zu der Gesetzesnovelle deutlich: einmal die höchstwahrscheinlich zutreffende Annahme, dass die Ablehnung des Gesetzes bei den Wählerinnen und Wählern der Partei wesentlich geringer ausgeprägt ist als bei ihren aktiven Mitgliedern; zweitens und ganz entscheidend die Angst vor der im September anstehenden Landtagswahl und der AfD, die stärkste Partei werden könnte. Ein möglicher Bruch der Koalition so kurz vor den Wahlen, so die Befürchtung, hätte die Rechten gestärkt.

Simon Wohlfahrt vom »Bündnis ­gegen das neue Brandenburger Polizeigesetz« zeigte für solche Erwägungen im Gespräch mit der Jungle World allerdings wenig Verständnis: »Die Linkspartei in Brandenburg hat mit dem Beschluss zum neuen Polizeigesetz eine Grundsatzentscheidung gefällt: dem Trend zu autoritären Verhältnissen nachzugeben, statt sich ihm entgegenzustellen. Anstatt zu versuchen, die öffentliche Meinung zu verändern, unterwirft man sich dieser. Das demon­strative schlechte Gewissen einzelner Abgeordnete macht das alles nicht ­besser.«