Friedrich Merz ist der Kandidat der Atomlobby

Die Atomkraft wiederaufbereiten

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So bleiben als vermeintlich »neue und sichere Form der Nuklearenergie« die Reaktoren der Generation III. Bei ­allen handelt es sich um Weiterentwicklungen des klassischen Druckwasser­reaktors. Diese Kraftwerke sind so groß, so komplex und so teuer, dass sie die gesamte Struktur der Energiewirtschaft verändern. Erbauer und Betreiber der Werke verschmelzen und sind ihrerseits von Großinvestoren und staatlicher Protektion abhängig. Die Reaktoren der Generation III haben mehrere Unternehmen, die sie entwickelt haben, bereits in den Ruin getrieben. Die süd­koreanische Atomindustrie ist von schwerer Korruption geprägt, unter ­anderem wurden Sicherheitszertifikate gefälscht, um die Kosten zu senken. Der französische Atomkonzern Areva wurde mit viel staatlicher Hilfe und Lenkung in die Elektrizitätsgesellschaft EDF eingegliedert. Die Nuklearsparte des US-Konzerns Westinghouse wurde 1998 von British Nuclear Fuels gekauft und gelangte 2006 in den Besitz von ­Toshiba. Doch der japanische »Weltmarktführer im Nukleargeschäft« ­geriet nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima 2011 selbst in Schwierigkeiten und meldete schließlich im März 2017 Insolvenz für Westinghouse Nuclear an. Der Retter kam in Gestalt des US-Präsidenten. Donald Trump­ ­gelang es, den kanadischen Vermögensverwalter Brookfield Asset Management davon zu überzeugen, den insolventen Reaktorhersteller für 4,6 Milli­arden Dollar zu übernehmen.

Brookfield verfolgt das gleiche Geschäftsmodell wie die Vermögens­verwaltung Blackrock, für die Friedrich Merz tätig ist. Brookfields Finanzmacht ist jedoch wesentlich kleiner als die von Blackrock, und die beiden Unternehmen sind nicht ohne weiteres zu vergleichen. Dennoch ist die Übernahme von Westinghouse Nuclear ein guter Einwand gegen die derzeit oft gestreute Meinung, solche Finanzunternehmen seien nur treuhänderisch tätig und mischten sich nicht in die Politik ein. Selbstverständlich hält auch Blackrock Anteile im Nukleargeschäft.

Die ungewöhnlichen Finanzierungsarten und Besitzverhältnisse im Atomgeschäft tragen nicht zur Verbesserung der Sicherheit bei. Wer besitzt zurzeit eigentlich Westinghouse, wer trägt die Verantwortung? Rechtsanwälte, Ärzte, Landwirte, Sparkassen, die ihre überschüssigen Gewinne von Brookfield ­anlegen ließen? Man weiß es nicht. ­Sicher ist nur, dass die Besitzrechte von Anlagemanagern ausgeübt werden, die nicht über technisches und schon gar nicht über nukleartechnisches Fachwissen verfügen. Die These, Atomkraft sei angesichts des weltweiten ­Klimawandels und des notwendigen Kohleausstiegs als Grundlastversorgung unverzichtbar, basiert auf der Behauptung, die Technologie der Energiespeicherung sei noch nicht weit genug, um die erneuerbaren Energien zu ­ergänzen. Gewiss gibt es auf diesem Gebiet noch viel zu tun. Aber warum werden die vorhandenen Speichertechnologien nicht genutzt? Im Thüringer Wald wollte das Energieunternehmen Trianel ein Pumpspeicherkraftwerk mit einer Leistung von 1 070 Megawatt bauen – vergleichbar also mit einem durchschnittlichen Atomkraftwerk. Bürgerinitiativen richteten sich gegen die dafür nötigen Eingriffe in die Landschaft, die CDU/CSU-Fraktion im Bundestagsausschuss für Wirtschaft und Energie verhinderte die Subventionierung des Vorhabens und ähnlicher Projekte. So schafft man Argumente für die Atomkraft – aber keine über­zeugenden.