Homestory

Homestory #37

Überquellende Postfächer sind für Urlaubsrückkehrer wie die aus Georgien eine echte Herausforderung. Zerknüllte Zeitungen, zerrissene Briefe und abgeknickte Päckchen in einem Briefkasten gestopft ergeben ein schönes Papierknäuel, dessen Entwirrung den vom Urlaub entspannten Empfänger schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurückbringt. Da lobt man sich doch den digitalen Postverkehr, die Erfindung der E-Mail, vor allem als Redakteur einer Zeitung. Aber auch da gibt es einen Haken: zwischen 100 und 150 eingehende Mails pro Tag sind im Feuilleton der Jungle World keine Seltenheit. Andere Ressorts erhalten überschaubare 30 Mitteilungen am Tag, vorwiegend von Autoren und Autorinnen, während das Feuilleton daneben vor allem durch einen ständig anschwellenden Strom von Pressemitteilungen und Promotion herausgefordert wird. Filmstarts, Theaterpremieren, Release-Partys, neueste wissenschaftliche Studien zur Verträglichkeit von Kokosöl, die Beantwortung der Frage, ob Rosmarin gegen Depressionen hilft, Einladungen zu Pressempfängen, Buchveröffentlichungen, Vernissagen – eigentlich ist alles interessant und will geprüft werden. Mal ganz abgesehen von notorisch freundlichen Anfragen nach der Herausgabe der firmeneigenen Kontonummer, im Stil von: »Sorry to invade your privacy, I am Mrs. Daniella Kyle the wife of Mr Angelo Kyle, my husband worked with Central Bank Of Philippines for ten years before he died in the year 2012.«

Leider führte der Ansturm von E-Mails in den Sommerwochen zu einem völligen Kollaps des E-Mail-Accounts, er war einfach zu voll geworden. Nichts ging mehr. Da wünscht man sich dann doch die alte Post zurück, die gedruckten Einladungskarten, die manchmal so nett anzuschauen sind, dass sie, zumindest bei einem Redakteur, an eine Flasche gelehnt den Schreibtisch schmücken. Und auch die eine oder andere CD trudelt noch bei uns ein und will Probe gehört werden, versehen mit einem netten handschriftlichen Gruß vom Label. Andererseits lässt die Post auf Papier den Schreibtisch in einer Redaktion eben so aussehen, wie man sich das bei einer Zeitung vorstellt: Berge von Blättern, in denen man nie etwas wiederfindet. Was also tun? Anrufen! Das geht schnell, ist sympathisch, und benötigt keinen Speicher- oder Ablageplatz, obwohl es dem einen Redakteur oder der anderen Redakteurin nicht ganz so gut gefällt, wenn das Telefon klingelt.

PS: Der E-Mail-Account des Dschungels funktioniert übrigens wieder einwandfrei.