Der Lehrerberuf hat ein Imageproblem

Beneidet und tierisch uncool

Seite 2

»Werd’ doch Grundschullehrer« – kriegen junge Menschen zu hören, die noch nicht so recht wissen, was sie werden sollen, für den Beruf Wirt überqualifiziert sind und sich bei einem Chemie- oder Physikstudium überfordert fühlen. Spricht aus diesem Spruch gesellschaftliche Wertschätzung? Eher nicht. Lehrer ist ein geringgeschätzter Beruf. Irgendwas mit Medien ist cooler.

Dieses Imageproblem hat der Lehrer­beruf in Deutschland schon länger. Nach dem Bruch mit dem Herrn Studienrat der Kaiserzeit ging es peu à peu bergab mit dem Ansehen der Pädagogen. Sie gelten als Pedanten, Nörgler und Outdoorjackenträger. Alle Versuche, dem entgegenzuwirken, sind bislang erfolglos geblieben. Auch deshalb hat Hamburg vor über zehn Jahren ein ­Arbeitszeitmodell für Lehrer eingeführt. Es sollte der Bevölkerung zeigen, wie viel ein Lehrer eigentlich arbeitet. Jede Tätigkeit – vom Unterricht bis zum Korrigieren der Klassenarbeiten – wurde dafür faktorisiert. Dem Ansehen hat es wenig genutzt, für die Lehrer war es eine zusätzliche Arbeitszeiterhöhung.

Der Blick wandert bei diesem Thema gern in Richtung Skandinavien. In Finnland beispielsweise ist der Lehrerberuf gesellschaftlich bedeutend angesehener. Sucht man im Internet die Begriffe »Finnland« und »Lehrer«, erhält man sofort viele Treffer, die sich genau mit dieser Frage beschäftigen. In Finnland gilt der Lehrerberuf nicht als uncool. Der Bildung von Kindern wird ein hoher Stellenwert eingeräumt. Verständlich, denn die Grundschul­lehrer legen die Basis für Erfolg in der Arbeitswelt. In Deutschland ist diese Wertschätzung zwar immer mal im Gespräch, gesellschaftlich durchgesetzt hat sie sich hingegen nicht.

Und so entscheiden sich stets weniger junge Menschen für den Lehrerberuf, obwohl er vergleichsweise gut bezahlt und die Anzahl der Ferientage wirklich ein Argument ist. Wenn man verbeamtet wird, locken ein gutes Gehalt und Absicherung. Angestellte Lehrer verdienen im Schnitt jedoch 600 bis 800 Euro weniger im Monat. Ähnlich geht es in vielen Bundesländern den Grundschullehrern, die anstatt der Besoldungsstufe A 13 nur A 12 erhalten. Zwischen den ­liegen ebenfalls 600 bis 700 Euro Gehaltsunterschied.

40 000 Lehrer, so hat es der Deutsche Lehrerverband vor kurzem erfasst, fehlen in diesem Schuljahr. 30 000 Stellen können nur notdürftig mit Quereinsteigern besetzt werden. Der emeritierte Bildungsforscher Klaus Klemm kritisiert im Berliner Tagesspiegel, die Bedarfsplanung der Länder sei problematisch gewesen. Allerdings sei die genaue Stellenplanung schwierig.

Die Auswirkungen von Pillenknick und Wiedervereinigung ließen sich bildungspolitisch in der Tat nicht genau abschätzen. Da die Lehrerausbildung gut sechs Jahre dauert, gibt es für kurzfristige Maßnahmen wenig Spielraum. Und so werden womöglich in sechs Jahren wieder sehr viele ausgebildete Lehrer auf dem Arbeitsmarkt zu ­finden sein, weil jetzt viele Pädagogen ausgebildet werden. Ob man aus­reichend viele Menschen durch die veränderten Rahmenbedingungen des Lehrerberufs begeistern kann, sei dahingestellt. Schon jetzt wird in vielen Reportagen und Berichten die Geschichten von Quereinsteigern erzählt, die schockiert von der harten Realität gerade an Schulen in sozialen Brennpunkten berichten. »Ich mag diesen Job, aber ich weiß nicht, ob ich ihn bis 67 durchhalte. Und viele Alternativen hält der Lehrerberuf nicht bereit«, sagt ­Joachim Folkerts aus Ostwestfalen resigniert. Auch das ist eine Tatsache, die vielen Angst macht: Der Beruf hat eine hohe Burn­out-Rate. Verlockend sind diese Aussichten nicht. Um in Zukunft wirklich genug engagierte und geeig­nete Lehrer zu gewinnen, bedarf es größerer Anstrengungen. Mehr Ferien muss man Lehrern dafür nicht ver­sprechen, aber vielleicht ein wenig mehr Wertschätzung.