Small Talk mit dem Berliner Justizsenator, Dirk Behrendt, über Funkzellenabfragen

»Weder Teufelswerk noch Wundermittel«

Das Land Berlin will künftig Personen informieren, deren Handydaten während einer Funkzellenabfrage bei der Polizei gelandet sind. Der Berliner Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) im Gespräch.
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Gemäß der Strafprozessordnung müssen Bürger informiert werden, wenn die Polizei ihre Handydaten per Funkzellenabfrage erfasst hat. Warum macht Berlin erst jetzt diesen Schritt?
Bislang hat kein einziges Bundesland informiert. Die Länder begründen das mit einer, wie ich finde, angreifbaren Rechtskonstruktion. Sie sagen: Wir gehen davon aus, dass die Betroffenen gar nicht informiert werden wollen, weil wir den Grundrechtseingriff, den die Funkzellenabfrage ohnehin schon bedeutet, noch vertiefen müssten, um sie über die Erfassung ihrer Daten in Kenntnis zu setzen. Denn um die Betroffenen zu informieren, müssten wir ja erst einmal über eine Anfrage bei den Kommunikationsanbietern feststellen, welcher Name zu der jeweils betroffenen Telefonnummer gehört. Diese Argumentation habe ich schon immer für zweifelhaft gehalten. Unser Modell sieht vor, dass wir denen, die uns gegenüber erklären, dass sie informiert werden wollen, per SMS mitteilen, ob die Polizei ihre Daten gespeichert hat. Wir werden jedoch nicht ermitteln, wer hinter der jeweiligen Nummer steht. Die Anmeldung auf der entsprechenden Plattform erfolgt anonym. Um ausschließen zu können, dass wir die falschen Personen informieren – durch einen Wechsel der Handynummer könnte das ja durchaus passieren –, fragen wir alle vier, fünf Monate nach, ob die Interessierten immer noch informiert werden wollen und ob ihre Handynummer noch aktuell ist.

Vergangenes Jahr hat die Berliner Polizei Funkzellenabfragen vor allem nach Einbrüchen, Diebstählen und Raubdelikten vorgenommen. Halten Sie das für verhältnismäßig?
Nachdem 2012 der damalige Landesdatenschutzbeauftragte in einem Bericht festgestellt hatte, dass nicht in jedem Fall alle Voraussetzungen für eine Funkzellenabfrage vorgelegen hatten, gab es eine ausführliche Debatte zu dem Thema. Es gibt beispielsweise einen festen Katalog von mittleren und schweren Straftaten, die vorliegen müssen, damit eine Funkzellenabfrage stattfinden darf. Ich gehe davon aus, dass diese Debatte die Sensibilität der Staatsanwaltschaft erhöht hat.

In dem erwähnten Bericht bemängelte der Datenschutzbeauftragte auch, dass die Verhältnis­mäßigkeit von Funkzellenabfragen oft gar nicht oder nur unzureichend geprüft werde. Wie wollen Sie solche Rechtsbrüche zukünftig verhindern?
Es ist Aufgabe der Polizei und der Staatsanwaltschaft, nur legale Ermittlungsmethoden anzuwenden. Eine andere Frage ist, ob man noch deutlicher ins Gesetz schreiben will, welche Delikte für eine Funkzellenabfrage in Betracht kommen. Da könnte ich mir das eine oder andere Delikt vorstellen. Das ist allerdings eine Frage, die der Bundestag entscheiden muss.

2017 wurden in Berlin 432 Funkzellenabfragen vorgenommen – in nur 22 Fällen kam es zu Anklagen. Halten Sie die Funkzellenabfrage für ein effektives Mittel zur Aufklärung von Verbrechen?
Sie ist weder Teufelswerk noch Wundermittel. Es gibt schon Straftaten, die man darüber aufklären kann – von Kindstötungen bis hin zu anderen Verbrechen, wo es darauf ankommt festzustellen, wer wann wo war. Gerade in einer Stadt wie Berlin, in der sich oft viele Leute auf engem Raum aufhalten, hat es auch Ermittlungsverfahren gegeben, bei denen die Funkzellenabfrage die Hoffnungen, die in sie gesetzt werden, nicht erfüllt hat. Wenn 500 Leute in einem relativ kleinen Bereich unterwegs sind, kommen Sie auch durch eine Funkzellenabfrage nicht näher an den Täter heran.