Die Proteste gegen den nicaraguanischen Präsidenten Daniel Ortega dauern an

Von Somoza zu Ortega

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Mittlerweile geht es also nicht mehr nur um den Widerstand gegen Sozialkürzungen, diese hatte Ortega bereits am 22.April zurückgenommen. Vielmehr geht es um ein Ende des Systems Ortega.

Seit 2006 hat Ortega ein Klientelsystem aufgebaut. Sowohl die traditionelle Anhängerschaft der Sandinisten, die Kleinbauern und die städtischen Unterschichten, als auch die alte Führungsschicht des Landes standen über viele Jahre hinter Ortega. Die Unternehmerverbände sowie die katholische Kirche stellten sich gut mit dem einstigen Revolutionär. Vor allem die neue sandinistische Mittelschicht ist in den vergangenen Jahren zu Wohlstand gekommen. Ortega hat den Staatsapparat und die Partei FSLN, der knapp zehn Prozent der Bevölkerung angehören, immer enger miteinander verflochten und deren Kontrolle in den Händen seiner Familie konzentriert. Mittlerweile werden nur noch wenige Medien des Landes nicht unmittelbar von seinen Familienangehörigen oder Vertrauten kontrolliert. 2011 gestattete der mit Sandinisten besetzte Oberste Gerichtshof Ortega die verfassungswidrige Wiederwahl. Seitdem hat er jede Wahl mit über 60 Prozent der Stimmen gewonnen, wobei die Opposition stets Wahlbetrug beklagt hat.

Am 30. April lud der FSLN zu einem »Fest für Frieden und Dialog« nach Managua. Bei der Propagandaveranstaltung für die Partei und ihren Anführer machte dieser seine Ziele klar: »Frieden und Ruhe in unserem Land wiederherzustellen« und »gegen den Feind zu verteidigen«. Murillo hatte bereits Tage zuvor erklärt, wer dieser Feind sei: »winzige Gruppen der Rechten«, die CIA und die Mitglieder des Movimiento de Renovación Sandinista (MRS), sandinistische Dissidenten, die sich 1995 abspalteten und Ortega Autoritarismus und Verrat an der Revolution vor­werfen.

Ortega lud zudem zu einem Runden Tisch ein. Was von der Dialogbereitschaft der Regierung zu halten ist, zeigte sich in den Folgetagen: Regierungs­kritische Demonstrationen wurden von der Polizei aufgelöst, Unterstützungsveranstaltungen für Ortega geschützt.

Der katholischen Kirche wird künftig eine wichtige Vermittlerrolle zukommen. Sie ist die einzige Institution, die von Regierung und Opposition anerkannt wird. Selbst wenn es zu einem fairen Dialog kommen sollte, ist unklar, wer an diesem beteiligt sein soll. Noch ist die Protestbewegung unorganisiert und hat außer der Ablehnung der Herrschaft des Ortega-Clans keine einheitlichen Forderungen artikuliert. Teile der Protestbewegung fordern, Delegierte zu Verhandlungen zu entsenden, allein um die Plätze nicht Strohmännern Ortegas zu überlassen. Für andere Oppositionelle ist jedweder Dialog ausgeschlossen, denn »die Toten verhandeln nicht«.