Die Parlamentswahlen im Libanon werden in der Region mit Spannung erwartet

Wahl mit Tücken

Die bevorstehenden Parlamentswahlen im Libanon wecken hohe Erwartungen, da dank des reformierten Wahlgesetzes erstmals kleinere Parteien Sitze erringen könnten. Die Wahlen gelten auch als Indikator für die Stimmung in der gesamten Region.

Die Libanesinnen und Libanesen wählen ein neues Parlament. Die Wahl am 6. Mai könnte eine der spannendsten in der Geschichte des Landes werden – und eine der spannendsten in der ­gesamten Region.

Die hohen Erwartungen an diese Wahl lassen sich schon an der Zahl der ­internationalen Studien und Websites zum Thema ablesen. Das UN-Entwicklungsprogramm UNDP betreibt eigens die Website lebanon-elections.org – ein »Projekt zur Unterstützung der Wahl im Libanon«. Auch die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung hat eine Website eingerichtet, die sich 128Lebanon nennt – die Ziffer 128 steht für die Zahl der Parlamentssitze. Selbst die Wahlen in den Ländern des sogenannten arabischen Frühlings nach dem Sturz der Diktatoren erhielten kaum mehr Aufmerksamkeit von inter­nationalen Stiftungen und Organisationen. Tatsächlich ist die Wahl im Libanon beachtenswert, und das nicht nur, weil sie seit fünf Jahren überfällig ist.

Der Krieg im Nachbarland Syrien hat den Libanon politisch gelähmt. Seit sechs Jahren schlingert das Land mehr oder weniger führungslos von einer Krise in die nächste, wovon die größte wohl auch mit weniger zerstrittenem politischen Personal kaum zu bewältigen wäre, denn zu den nur vier Millionen Einwohnern des Libanon sind 1,5 Millionen syrische Flüchtlinge ins Land gekommen.

Streit gibt es vor allem über die Haltung zum syrischen Regime. Die liba­nesischen Parteien reihen sich seit dem Attentat auf den früheren Minister­präsidenten Rafik al-Hariri im Jahr 2005 entweder in eine prosyrische oder eine antisyrische Front ein. Damals ging es um die Vertreibung der syrischen Besatzungssoldaten. Heute geht es um Parteinahme im Bürgerkrieg. Allen voran kämpft die schiitisch-islamistische Miliz Hizbollah für den Erhalt des syrischen Regimes. Sunnitische, zumeist salafistische Gruppen unterstützen die Rebellen. Verschiedene syrische Rebellenmilizen fanden Rückzugsräume und Unterstützung auf libanesischem Boden. Die politischen ­Parteien schafften es zwar, sich darauf zu einigen, Kampfhandlungen auf ­libanesischem Boden zu unterlassen. Aber die Fronten verhärteten sich. Zwei Jahre lang konnten die Parteien sich nicht auf einen Präsidenten einigen. Michel Aoun, der es schließlich im Sommer 2017 wurde, ist kein Kompromisskandidat, sondern der Favorit der Hizbollah.

Je mehr Gebiete der syrische Diktator Bashar al-Assad mit Hilfe der Hizbollah, des Iran und Russlands von den Rebellen zurückgewinnen konnte, ­desto größer wurde auch die Macht der Hizbollah im Libanon. Das politische ­System im Libanon basiert aber auf Gleichgewicht und Konsens.

Das bisherige Mehrheitswahlrecht führte dazu, dass fast nur Vertreter der einflussreichen Familien, der sogenannten Zu’ama, gewählt wurden.

Umso erstaunlicher ist, dass die Regierung nach der Wahl Aouns tatsächlich einiges anging. Die syrische Armee vertrieb im vergangenen Sommer mit ­Unterstützung der Hizbollah sunnitisch-islamistische Milizen aus Gebieten an der syrischen Grenze. Nachdem die Wasserversorgung der Hauptstadt Beirut im Sommer zusammengebrochen war, begannen sogar die Arbeiten an einem lang geplanten Staudamm. Das größte und erstaunlichste Projekt aber war die Verabschiedung eines neuen Wahlgesetzes. Darüber wurde seit Jahrzehnten debattiert.

Beim alten Wahlgesetz war die Verteilung der Listenplätze nach Konfessionen hoch umstritten. In den Wahlbezirken muss nach einem festgelegten Proporz gewählt werden, entsprechend der einstmaligen Zusammensetzung der Bevölkerung. So müssten etwa in einem Bezirk drei Sunniten, zwei Schiiten, vier maronitische Christen und ein Druse gewählt werden, während im nächsten fünf Schiiten, ein Katholik, und drei Griechisch-Orthodoxe Anspruch auf einen Parlamentssitz haben. Die Parteien stellen entsprechende Listen zusammen. Da die meisten Parteien nur eine Konfession vertreten, gehen sie dafür Wahlallianzen ein.