Small Talk mit der »Agentur gegen Arbeit« zur Besetzung der ehemaligen iranischen Botschaft in Bonn

»Durchsaugen, Möbel rein, fertig«

»Solidarity with Iranian political prisoners!« Ein Spruchband mit dieser Aufschrift hängt zurzeit an der ehemaligen iranischen Botschaft in Bonn. Die »Agentur gegen Arbeit« hat das Gebäude in der vergangenen Woche besetzt. Die Gruppe möchte dort ein »Institut für Anarchismusforschung« aufbauen, ein selbstverwaltetes sozio­kulturelles Zentrum. Ein Mitglied der »Agentur gegen Arbeit« hat mit der Jungle World gesprochen.
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Das Gebäude steht seit fast 20 Jahren leer. In welchem Zustand ist es?
Angesichts eines so langen Leerstands ist der Zustand insgesamt gut. Das Gebäude ist ziemlich groß, die Räume sind in unterschiedlichem Zustand. Es gibt Zimmer, die ich als bezugsfertig bezeichnen würde; durchsaugen, Möbel rein, fertig. Aber an einer Seite des Hauses ist in jedem Raum auf jeder Etage Schimmel. Wir versuchen, ihn zu bekämpfen. Ein riesiger Aufwand dürfte es sein, auf fünf Stockwerken neue Stromkabel zu verlegen. Irgendjemand hat alle Leitungen herausgerissen, wahrscheinlich um an das Kupfer zu kommen. Wasser gibt es auch noch nicht, das könnte sich aber in dieser Woche noch ändern.

Wie realistisch ist es, in dem Haus das geplante Zentrum aufzubauen?
Die Möglichkeiten geben das her. Es gibt ein ziemlich großes Parkhaus, das sehr gut für Veranstaltungen geeignet ist. Kultur- und ­Politgruppen könnten die vielen Büroräume nutzen. Sobald die Wasser- und Stromversorgung endgültig vorhanden ist, sollte dem Betrieb eines Kulturzentrums nichts mehr im Wege stehen.

Welcher Beweggrund steht bei der Besetzung im Vordergrund, die Errichtung des Zentrums oder der Protest gegen das iranische Regime?
Ganz am Anfang, vor etwa zwei Monaten, wollten wir angesichts der jüngsten Aufstände im Iran tätig werden. In Bonn wird häufig symbolisch vor ehemaligen Botschaften demonstriert. Wir dachten uns: Lasst uns die Botschaft doch gleich besetzen, die Idee hatten ohnehin manche schon vorher. Unsere Gruppe ist heterogen. Manchen war der Iran sehr wichtig, andere haben eher die Notwendigkeit eines Kulturzentrums betont. Aber alle können sich mit beiden Zielen identifizieren, nur eben in unterschiedlichem Ausmaß.

Hat die iranische Seite sich mittlerweile offiziell geäußert?
Nein. Das bedeutet aber nicht, dass es keinen Kontakt gab. Irgendwann hielt um die Ecke ein Auto mit Diplomatenkennzeichen, zwei Männer stiegen aus, sahen sich das Gebäude von außen an und gingen nach einigen Minuten wieder. Ein anderes Mal kam eine junge Frau vorbei und fragte, wie viele Leute wir denn seien und welche Verbindungen wir in den Iran hätten. Das war ein doch sehr offensichtlicher Versuch, uns auszufragen. Irgendjemand scheint sich also auf irgendeine Weise für die Besetzung zu interessieren. Ich glaube allerdings, nicht unseretwegen, sondern um herauszufinden, ob iranische Regimegegner bei der Besetzung mitarbeiten.

Wie verhält sich die Polizei?
Da es um Belange eines anderen Nationalstaats geht, ist die Polizei sehr zurückhaltend. Ich denke, kein Polizist möchte einen Eklat auslösen. Die Polizei hat insgesamt nur die Personalien von zwei Leuten kontrolliert.

Gibt es in Bonn weitere solche Gebäude?
Ja, die gibt es.

Könnte die Besetzung also Vorbildcharakter haben?
Ich hoffe es. Bis vor einem Jahr gab es noch mehr leerstehende Botschaften, einige wurden in der Zwischenzeit abgerissen. Manche, die noch stehen, befinden sich in Wohngebieten, wären also geeignet für Wohnbesetzungen. Es gibt sogar eine ehemalige Botschaft, für die der betreffende Staat mittlerweile jede Verantwortung abstreitet. Leider fällt mir gerade nicht ein, um welches Land es sich handelt. Wer in Bonn ehemalige Botschaften besetzen möchte, hat es einigermaßen komfortabel. Es mangelt nicht an Zielobjekten.