25.01.2018
David Gerard, Unix-Systemadministrator, im Gespräch über die Zukunft der Kryptowährungen

»Bei Bitcoin geht es weniger um Technologie als um Psychologie«

Dass die Kryptowährungsblase platzen wird, gilt als sicher, meint David Gerard, der in seinem Buch »Attack of the 50 Foot Blockchain: Bitcoin, Blockchain, Ethereum & Smart Contracts« den Hype um Kryptowährungen kritisiert. Mit der »Jungle World« sprach er über die Technologie hinter dem digitalen Geld, rechte Ideologien und erklärt, weshalb Omas keine Kryptos kaufen ­sollten.

Bitcoin war ursprünglich als alternatives Zahlungsmittel gedacht. Heute wird fast nur noch damit spekuliert. Was ist passiert?
Satoshi Nakamoto wollte eine neue Technik für digitales Geld entwicklen. Er hatte keine Spekulation im Sinn. Dann erreichte die Technologie hinter Bitcoin aber ihre Kapazitätsgrenze. Plötzlich veränderte sich das Geschäft mit Bitcoins von schnellen und nahezu kostenlosen Transaktionen zu lang­samen und teueren. Früher gab es zwar Händler, die Bitcoins akzeptierten, aber es wurde hauptsächlich für Drogengeschäfte genutzt. Heute kommt es nicht mal mehr dort zum Einsatz, weil die Preise zu sehr schwanken und Transaktionen zu teuer sind. Der Durchschnittspreis für eine Überweisung liegt derzeit bei 22 Dollar. Es ist also nicht als Geld zu gebrauchen und wurde schließlich zum Spekulationsobjekt.

Zuletzt wurden fast täglich neue Kryptowährungen ausgegeben. Die Ideen dahinter sind meist ziemlich fragwürdig.
Ich bin mir nicht sicher, warum der Hype wieder angefangen hat, nachdem die erste große Bitcoin-Blase 2013 platzte. Ich glaube, dieses Mal hat sich die Blase ungefähr im April 2017 ge­bildet. Nach einem Monat hatte sich der Preis verdoppelt und die Medien wurden darauf aufmerksam. Bei Bitcoin geht es weniger um Technologie als um Psychologie. Das beste Buch, das je über Bitcoin geschrieben wurde, ist »Extraordinary Popular Delusions and the Madness of Crowds« von Charles Mackay. Es ist eine Studie zu Massenpsychologie und wurde 1841 veröffentlicht. In dem Buch geht es um Speku­lationsblasen.

Auch Betrüger werden sicher von den möglich scheinenden Gewinnen angelockt.
Auf jeden Fall. Bei Kryptowährungen tauchen viele altbekannte Betrugs­maschen wieder auf. Serienbetrüger wissen: Wenn es aufregende neue ­Ideen gibt, die niemand wirklich versteht, kann man reiche Beute machen. Mit Bitcoin verbanden sich auch diese merkwürdige Ideologie der »Freiheit von Zentralbanken« und anderen anarchokapitalistischen Ideen. Diese ­Naivität schafft ideale Bedingungen für Blender und Betrüger. Darüber hinaus sind Kryptobörsen nicht reguliert. Im normalen Wertpapiermarkt ist die Handelsumgebung streng reguliert. Betrug und Marktmanipulationen, die an Wertpapierbörsen verboten sind, sind Standard auf dem Kryptomarkt. Es ist ist wie im Wilden Westen.

Ein paar Pyramidensysteme wurden von der SEC (Securities and Exchange Commission, Börsenaufsichtsbehörde der USA, Anm. d. Red.) verboten. Bisher wird aber meist nicht die Tätigkeit von Kryptobörsen reguliert, sondern der Zu- und Abfluss von Geld. Es wird also schwieriger, dem Kryptosystem Geld zuzuführen oder es rauszubekommen.

»Die Ideen, die in Bitcoin eingeflossen sind, stammen aus der politische Umgebung der libertären Rechten.«

Die Blockchain-Technologie ist die Hauptkomponente von Krypto­währungen. Was ist Blockchain überhaupt?
Eine Blockchain ist quasi ein Kassenbuch, in das man Buchungen schreibt, die man nicht mehr verändern kann. Um etwas zu korrigieren, muss man einen neuen Eintrag vornehmen. Da das Ganze elektronisch ist, kann man es kryptographisch beglaubigen. Eine bestimmte Anzahl von Transaktionen geht in einen Datenblock und die Blöcke bilden eine Kette. Es geht um einfache und schnelle Überprüfung sowie die Bestätigung, dass alles intakt ist und nicht manipuliert wurde. Es ist also kryptographisch fälschungssicher und auch nichts Neues. Bei Blockchain geht es zusätzlich darum, schneller Energie zu verbrauchen, um dafür ­Bitcoins als Belohnung zu bekommen. Dieser Vorgang wird Mining genannt. Je mehr Bitcoin benutzt wird, desto mehr Energie wird verbraucht aus keinem anderen Grund als dem, dass Computer miteinander um die Wette rechnen. Dieses Bitcoin-Mining ver­ursacht mittlerweile mehr als 0,1 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs, obwohl die eigentliche nötigen Berechnungen mit einem Smartphone von 2007 gemacht werden könnten.