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Schön war’s! So eine Woche fern des Monitors, fast ganz ohne Internet und Nachrichten. Mit dem ganzen Elend auf der Welt hatte man sich kaum zu beschäftigen, nur das eigene familiäre Elend musste manchmal ertragen werden, aber auch das hielt sich offenbar in Grenzen. Von wegen »die verlogene Idylle der bürgerlichen Familie und deren Rituale mit erbarmungsloser Fundamentalkritik« zerstören, wie es als Tipp der Woche in der letzten Ausgabe der Jungle World für die politisch korrekte Weihnachtsaktivität hieß. Die Mehrheit der Redaktion der linksradikalen Wochenzeitung hatte sich doch wieder bei Eltern und sonstiger Verwandtschaft eingefunden und scheint gar nicht einmal so unglücklich über die bürgerlichen Familienrituale. Endlich keine anstrengende Fundamentalkritik, sondern nur gemütliches Fressen. Nicht über den Umsturz der Verhältnisse wurde sinniert, sondern darüber, was man wann als nächstes zu sich nehmen wird und ob es überhaupt noch reinpasst in die pralle Wampe. Sie sehen, mag es in der Jungle World noch so prekär zugehen, die meisten hier kommen doch aus sättigenden Verhältnissen. Selbst die Politik kam im Weihnachtsurlaub nicht immer zu kurz. Die russophobe Verwandtschaft finde die Putinpropaganda von »RT Deutsch« und »Friedenswinter« auch ganz schlimm und Pegida sowieso, berichtet eine Kollegin. Ein anderer Kollege diskutierte mit dem 90jährigen Opa über die Schlacht um Monte Cassino von 1944. Ein paar Tage ließ es sich also recht gut aushalten im verlogenen Familienidyll. Nun sitzen alle wieder konzentriert vor ihren Monitoren, während draußen die glitzernde Schneelandschaft lockt. Und was wurde verpasst in der arbeits- und nachrichtenfreien Woche? Ein Jahresrückblick wird an dieser Stelle sicher nicht geliefert. Zu bestimmen, wer der irrste Jihadist, die lauteste Neonazigruppe oder das geilste politische Popalbum von 2014 waren, ist zu schwierig und eigentlich öde. Dann lieber ein Ausblick auf 2015? Es scheint genauso schlimm weiterzugehen wie bisher in der Welt – wenn nicht schlimmer. Die irren Jihadisten, die lauten Neonazis und der sture Kapitalismus werden so schnell nicht verschwinden. Und was die Linke eigentlich sein soll, weiß sowieso niemand mehr genau. So, immerhin wissen Sie nun Bescheid. Zu kurz und lapidar? Zum Glück steht ein weiteres Jahr mit ausführlichen Analysen, Hintergrundberichten, interessanten Interviews, sonstigen elend langen Texten und ein bisschen Spaß in der Jungle World bevor. Da gibt’s dann auch wieder mehr Fundamentalkritik, versprochen. Und wenn Sie die Zeitung fleißig lesen und abonnieren, schaffen wir vielleicht auch einen Jahresrückblick 2015. Die Jungle World wünscht Ihnen ein wunderschönes, widerspruchsvolles neues Jahr!