In Frankreich wehren sich rechtsextreme Organisationen gegen ihr Verbot

Verboten, aber noch nicht erledigt

Nach dem gewaltsamen Tod eines Anti­faschisten wurden in Frankreich mehrere rechtsextreme Organisationen verboten. Einige haben angekündigt, Rechtsmittel gegen die Verbote einzulegen.

Am 24. Juli verbot das französische Kabinett zwei militante rechtsextreme Gruppierungen. Vierzehn Tage zuvor waren bereits drei andere rechtsextreme Organisationen mit einer Verbotsver­fügung belegt worden. Anscheinend hat die französische Regierung zum Großreinemachen im gewaltbereiten Nazimilieu angesetzt.
Den unmittelbaren Anlass für die Verbote lieferte der gewaltsame Tod des 18jährigen Antifaschisten Clément Méric, der am 5. Juni in Paris an den Folgen der Verletzungen, die er beim Angriff durch eine Gruppe rechtsextremer Skinheads erlitten hatte, starb (Jungle World 25/2013).

Als Hauptverdächtiger gilt der Naziskin Esteban Morillo, der mutmaßlich der faschistischen Kleinpartei Troisième Voie (Dritter Weg) und deren schlagendem Arm, den Jeunesses nationalistes révolutionnaires (JNR) angehörte. Da es dort jedoch weder eine formale Organisationsstruktur noch Mitgliedsbücher gibt, bestreitet der Anführer beider Gruppierungen, Serge Ayoub, der in den achtziger Jahren bereits Anführer von Skinhead-Gruppen war, dessen Mitgliedschaft. Jene bei den JNR dürfte auch schwer nachweisbar sein, allerdings teilte Morillo bei seiner Vernehmung den Ermittlern mit, er sei »sechs Monate« Mitglied bei Troisième Voie gewesen.
Kurz nach dem Tod von Méric räumte das französische Innenministerium Serge Ayoub eine zweiwöchige Frist ein, um Stellung zur drohenden Verbotsverfügung zu nehmen. Am 25. Juni gab Ayoub dann überraschend die »Selbstauflösung« von Troisième Voie und der JNR bekannt: Er wolle damit einem Verbot zuvorkommen. Dabei dürfte es sich um ein taktisches Manöver gehandelt haben. Denn ist ein Verbot erstmal verhängt worden, dann ist die Wiedergründung einer verbotenen Organisation ein mit empfindlichen Sank­tionen belegter Straftatbestand.
Ende Juni fiel die Gruppierung schon wieder unangenehm auf. Im südwestfranzösischen Agen wurden sieben Neonazis aus dem Milieu von Troisième Voie festgenommen. Die Männer im Alter zwischen 22 und 35 Jahren, einige von ihnen Naziskins, sind zum Teil polizeibekannt. Ihnen wird vorgeworfen, nachts in Agen einen 25- und einen 33jährigen mit Schlägen attackiert zu haben. Der Jüngere wurde zudem wegen seiner nordafrikanischen Herkunft in rassistischer Weise beschimpft. Die beiden Männer befanden sich auf dem Heimweg vom linksalternativen Rockfestival La Prairie, das seit Jahren in Agen stattfindet. Beide Opfer trugen Gesichtsverletzungen davon.

Am 10. Juli erließ das französische Kabinett eine offizielle Verbotsverfügung gegen drei Gruppierungen: gegen Troisième Voie, die JNR und den eingetragenen Verein Envie de rêver (Lust zu träumen). Unter dem zuletzt genannten, poetisch klingenden Namen firmierte der Verein von Ayoub, der die von ihm geleitete Versammlungsstätte Le Local im 15. Pariser Bezirk verwaltete. Diese war im Jahr 2007 eröffnet worden, damals gemeinsam von Ayoub und dem antisemitischen Schriftsteller Alain Soral, mit dem Ayoub sich später zerstritt. Im Juni war zunächst vermutet worden, die Erklärung zur Selbstauflösung sei ein Manöver, mit dem vor allem das soziokulturelle faschistische Zentrum geschützt werden sollte.
Am 18. Juli gab der Verein Envie de rêver durch dessen Vorsitzenden Kévin Couette bekannt, dass er vor dem Conseil d’Etat, dem obersten Verwaltungsgericht, Rechtsmittel gegen die Verbotsverfügung einlege. Zugleich wurde bekannt, dass auch Ayoub gegen die Verbote der beiden anderen Gruppierungen vor Gericht ziehen will: Es lägen keinerlei Beweise für die Vorwürfe, die gegen Troisième Voie und JNR erhoben würden, vor. Offenkundig stellen die Rechtsextremen sich darauf ein, weiterhin Katz und Maus mit den Behörden zu spielen.
Ayoub verzichtet unterdessen nicht auf politische Provokationen. Am 30. Juli wurde bei Youtube ein Video mit einem 30minütigen Interview veröffentlicht, das der ebenfalls als Provokateur geltende Theatermacher Dieudonné M’bala M’bala mit ihm geführt hatte. Der unter seinem Vornamen – der ihm gleichzeitig als Künstlername dient – bekannte Dieudonné ist ein Franzose mit einem kamerunischen Vater, der sich seit 2005 der extremen Rechten annähert und seitdem schon oft wegen antisemitischer Äußerungen in die Kritik geraten ist. Er ist mit Alain Soral befreundet, der ihn in unterschiedliche Kreise der extremen Rechten eingeführt hat. Im Interview stellt Ayoub die Skinheads, darunter den Hauptverdächtigen Morillo, als diejenigen hin, die eigentlich angegriffen wurden.
In dem Interview, das am 1. August – zwei Tage nach Erscheinen – angeblich bereits 123 000 Mal angeklickt wurde, propagieren Dieudonné und Ayoub eine Art Querfront. Dieudonné sagt als Vorzeigeafrikaner der extremen Rechten, würden die europäischen Staaten Afrika die Schulden erlassen, hätten die Afrikaner keinen Grund, den Kontinent zu wechseln, und die Einwanderung müsse kein Thema mehr sein. Ayoub definiert den Rassismus als »die Unterdrückung des Menschen durch den Menschen, also das Großkapital«. Letzeres sei an der Migration schuld, weil es »ganze Familien deportiert, um die Menschen zu den Arbeitsplätzen zu bringen«. Schuld daran seien nicht die Migranten, die lediglich Opfer seien, sondern die Hintermänner des Ganzen. Beide reichen sich schließlich die Hand. Soweit das Video in den französischen Medien kommentiert wurde, rief es negative Reaktionen hervor. Der Nouvel Observateur konstatierte: »Dieudonné wälzt sich im Schlamm.«

Zwei weitere Gruppierungen, die eher dem klassischen Faschismus und Rassismus anhängen und denen Dieudonné in jeglicher Hinsicht zu bunt ist, wurden ebenfalls verboten. Am 24. Juli verfügte das französische Kabinett die Auflösung der rechtsextremen Organisationen L’Oeuvre française (»Französisches Werk«) und Jeunesses nationalistes (Nationalistische Jugend). L’Oeuvre française wurde im November 1968 gegründet und ist die älteste rechtsextreme Organisation in Frankreich. Es handelte sich um eine Gründung aus den Überresten der Bewegung rund um die verbotene Gruppe Jeune Nation (Junge Nation), die während des Algerienkriegs an der »Heimatfront« sehr aktiv war. Die Gründer von L’Oeuvre française waren damals Dissidenten im rechtsextremen Milieu: Dessen überwiegende Mehrheit hatte während der Kolonialkriege in Nordafrika sowie des Sechstagekriegs im Juni 1967 auf proisraelische außenpolitische Positionen eingenommen, der Gründer von L’Oeuvre française, Pierre Sidos, hielt jedoch am Antisemitismus fest.
Dieser sich auf Pétain, Franco und Mussolini beziehenden Gruppierung gehörten unter anderem die Naziskins an, die am 1. Mai 1995 in Paris am Rande eines Aufmarschs des Front National den Marokkaner Brahim Bouarram in der Seine ertränkten. Pierre Sidos gab im Februar vorigen Jahres nach über 40 Jahren die Führung an den knapp 40jährigen Yvan Benedetti ab. Im Herbst zuvor waren die Jeunesses nationalistes unter Alexander Gabriac als Jugendorganisation der Gruppierung entstanden. Beide Anführer waren aus dem Front National ausgeschlossen worden: Benedetti hatte sich selbst als »Antisemit« bezeichnet, Gabriac auf Fotos den Hitlergruß gezeigt. In einer gemeinsamen Erklärung tönten beide rechtsextremen Organisationen Ende Juli, man werde das Verbot »nicht akzeptieren«.
Abzuwarten bleibt, welche Gruppen der extremen Rechten von den Organisationsverboten profitieren werden.