Kosovo-Serben boykottieren die Integration

Homogen statt europäisch

Die Serben im Nordkosovo boykottieren die Integration in den Kosovo und fordern den Anschluss an Serbien. Das gefährdet die Beitrittsverhandlungen beider Länder mit der EU.

Am 26. Mai wurde im serbischen Parlament ein Abkommen mit dem Kosovo über den Status der Serben im Nordkosovo verabschiedet. Für die Europäische Union ist die Implementierung dieses Abkommens Bedingung für Beitrittsverhandlungen mit Serbien. Auf dem Papier haben sich die Regierungen im Kosovo und in Serbien auf den Status der serbischen Minderheit im Nordkosovo geeinigt, umgesetzt wurde das Abkommen aber bislang nicht. Es sieht beispielsweise vor, dass weder Serbien noch der Kosovo bei internationalen Konferenzen eine Blockadehaltung einnehmen dürfen, wenn der je andere Staat vertreten ist. Genau das hat die serbische Regierung aber vorige Woche mit Blick auf eine am 1. Juli geplante Balkan-Konferenz in Mazedonien getan, sie wurde daher abgesagt.

Theoretisch könnten EU-Beitrittsverhandlungen mit Serbien bereits Ende dieses Monats aufgenommen werden, doch die Kosovo-Serben stellen sich quer und wollen nichts von einer Integration in den jüngsten Staat Europas wissen. In vier Gemeinden stellen Serbinnen und Serben die Bevölkerungsmehrheit, insgesamt sind es etwa 40 000. Die serbische Minderheit im Nordkosovo soll die volle Kontrolle über die Bildungs- und Kulturpolitik, ein eigenes Parlament sowie eine Regierung erhalten. Im Gegenzug für diese weitreichende Autonomie soll sich der Nordkosovo möglichst von Serbien abkoppeln und in den kosovarischen Gesamtstaat integrieren. Bislang wurde der gesamte Staatsapparat des Nordkosovo von Serbien finanziert. Offiziellen Angaben zufolge fließen jährlich etwa 360 Millionen Euro aus Belgrad dorthin. Nun sollen die Beamtinnen und Beamten dort Arbeitsverträge mit der Zentralregierung in Priština unterschreiben, weswegen viele um ihren Arbeitsplatz und ihr Gehalt bangen.
Im vergangenen Jahr sprachen sich 99,7 Prozent der Kosovo-Serben bei einem Referendum gegen jegliche Kooperation mit Priština aus. Sie wollen nicht an Kommunalwahlen in einem Staat teilnehmen, den sie nicht anerkennen. Der Gedanke, den serbischen gegen einen kosovarischen Pass tauschen zu müssen, ist den meisten unerträglich. Die vier serbischen Gemeinden im Nordkosovo gründen derzeit ein autonomes Parlament und widersetzen sich der Eingliederung in den Gesamtstaat. Ziel ist die Unabhängigkeit des Nordkosovo und die spätere Angliederung an Serbien. Zwar versuchte Aleksandar Vučić, der Vorsitzende der serbischen Regierungspartei SNS, die Vertreter der Kosovo-Serben von einer Unabhängigkeitserklärung abzubringen, hatte damit aber keinen Erfolg.
Mit ihrem Vorstoß setzen die Kosovo-Serben die EU-Beitrittsverhandlungen aufs Spiel, aber die Mitgliedschaft in der EU scheint für viele sowieso nicht mehr die Richtschnur ihres Handelns zu sein. So wie es derzeit aussieht, werden Serbien und der Kosovo noch für lange Zeit Bestandteil der südosteuropäischen Exklave bleiben, die von der EU umschlossen ist und deren Einwohner nur schwer in diese reisen können.

Man könnte nun durchaus die Frage stellen, warum es den 40 000 Nationalisten im Nordkosovo nicht vergönnt sein sollte, Teil des serbischen Staats zu bleiben. Es wäre sogar denkbar gewesen, dass sich der Kosovo und Serbien auf einen Gebietsaustausch einigen, schließlich gibt es in Südserbien Regionen, in denen Albanerinnen und Albaner die Bevölkerungsmehrheit stellen.
Allerdings würde das die Partikularisierung der Region weiter vorantreiben: Wenn einem der Kollektive territoriale Zugeständnisse gemacht werden, weckt das alte Begehrlichkeiten. In Montenegro und in Griechenland gibt es eine relevante albanische Minderheit und in Mazedonien stellen Albanerinnen und Albaner über ein Viertel der Gesamtbevölkerung. Dort kam es 2001 zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen, als Milizen der UÇK versuchten, eine Eingliederung in den albanischen Nationalstaat mit Gewalt durchzusetzen und slawische Mazedonierinnen und Mazedonier und Roma aus den von ihnen eroberten Dörfern zu vertreiben. Auch Serbinnen und Serben in Bosnien könnten sich in ihrem Separatismus bestärkt sehen, wenn nun wieder über Staatsgrenzen diskutiert würde. Eine Europäisierung des Balkans rückt in weite Ferne, stattdessen setzt die Balkanisierung Europas ein.