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Heute wird hier mal eine gute aufklärerische Tradition aufgegriffen und nach dem Realitätsgehalt von Werbung gefragt, und zwar nicht irgendeiner Werbung, sondern der der »Jungle World«.
Los geht’s mit der aktuellen »Please Do Disturb«-Kampagne. Hübsch anzusehen, aber besteht die Werbung auch den Realitäts-Check? Auf einem Türklinkenanhänger aus griffiger Pappe sieht man ein Dschungel­paradies mit Leopardenkätzchen, Schmetterlingen, Schlingpflanzen. Dazu der Claim »Please Do Disturb!«, mit dem sich die »Jungle World« als wild, gefährlich und extrem idyllenfeindlich inszeniert. Aber was bitte schön hängt da in der Redaktion an der Tür des Uni-Sex-Toilettenraums? Ein nicht gerade kleines Schild mit der Aufschrift »Besetzt! Bitte Warten!!« Reste von Intimsphähre werden im linken Arbeitsalltag offenbar noch vereinzelt verteidigt. Fazit: Der Wahrheitsgehalt der Do-Disturb-Kampagne liegt unter 50 Prozent.
Anderes Beispiel: Vor ein paar Jahren wurde versprochen: »We break for nobody.« Im Gender-Check kommt dieser Spruch schon mal schlecht weg – zu mackerhaft. Doch der Klassenkampf ist nun mal kein Ponyhof, Leute! Sowas in der Art will der Spruch wohl sagen. Tatsache ist, dass sich hier nicht mit jedem angelegt und die Handbremse schon mal angezogen wird, wenn die Gefahr besteht, dass man sich eine Gegendarstellung einfängt. »Abschwächen« heißt dann die Devise. Respekt hat man hier nicht nur vor Anwälten, sondern auch vor der Hauswartsfrau und ihrem Dackelmischling, jedenfalls werden die einschlägigen Anweisungen, was Rauchen im Treppenhaus angeht, von den Redaktionsmitgliedern befolgt und Fahrräder vorschriftsmäßig auf dem Hof in den dafür vorgese­henen Ständern geparkt. Wahrheitsgehalt des Wir-Bremsen-für-niemanden-Claims: gleich null.
Beispiel Nummer drei: »Work hard. Die young.«
Damit sollten eigentlich die neoliberalen Ausbeutungsverhältnisse in diesem Land und anderswo angeklagt werden, aber redaktionsintern wurde der Spruch völlig anders verstanden und auf die eigenen Arbeitsbedingungen bezogen. In der Redaktion durfte weitergeträumt werden von dem Honorar, das der Werkspraktikant bei VW oder Siemens einstreichen darf. Was Teil zwei des Spruchs angeht (»Die young«), muss man sagen, dass die meisten Redaktionsmitglieder den Zeitpunkt für den Kurt-Cobain-mäßigen Tod bereits verpasst haben. Wahrheitsgehalt: lediglich 50 Prozent.
Schon an diesen wenigen Beispielen zeigt sich, dass der »Jungle World«-Werbung nicht so recht zu trauen ist. Man denke also lieber an den Klassiker: »Im Dschungel ist nichts so, wie es scheint.« Wahrheitsgehalt: 100 Prozent!