»German comedy ist die Antwort auf die englische Küche«

Matthias Deutschmann macht politisches Kabarett, seit »Strauß Kanzler werden wollte«. 1993 flog er aus dem Programm des ZDF-Morgenmagazins, weil er den Präsidenten des IOC, Antonio Samaranch, als »Franco-Faschisten a.D.« bezeichnet hatte. Da ihm der Name Deutschmann »Auftrag und Verhängnis zugleich« ist, beschäftigt sich der Kabarettist in seinen Shows immer wieder mit den deutschen Befindlichkeiten. Seine neuestes Programm »Die Reise nach Jerusalem« stößt nicht überall auf Gegenliebe, da er darin die hysterische Debatte rund um die Begnadigung von Christian Klar thematisiert und sich über die Aufregung wundert: »Nach 1945 liefen doch die Mörder auch frei herum.« Das Interview wurde per E-Mail von Doris Akrap geführt.

Wie kamen Sie darauf, Ihr neues Programm »Die Reise nach Jerusalem« zu nennen?

Programmtitel sind beim Kabarett meist Schall und Rauch, frei nach dem selbstironischen Motto »Am besten nichts Neues!« Ich habe lange um einen programmatischen Titel gekämpft. Es werden alle großen und wichtigen Themen auf der Höhe der Zeit verhandelt, und das Programm endet tatsächlich in Jerusalem, auf dem Tempelberg.

Wofür ernten Sie in Ihrer Show die meisten Lacher?

Jeder Abend ist anders. Ich zähle keine Lacher. Ich orientiere mich an der mentalen Einschaltquote.

Einem Statement aus Ihrer neuen Show, die RAF habe Schleyer entnazifiziert, ist »Menschen­verachtung«, vorgeworfen worden. Meinten Sie mit »entnazifiziert«, dass die RAF über den SS-Hintergrund Schleyers kein Wort verloren hat?

Nein. Die RAF hat es geschafft, dass von Hanns Martin Schleyer nur noch als Opfer und nicht mehr als Täter die Rede ist. Die Zuspitzung »hat Schleyer entnazifiziert« hat einen nicht beabsichtigten, zynischen Beigeschmack. Ich verwende sie nicht mehr.

Warum verfällt dieses Land immer in Hysterie, wenn es um die RAF geht?

Es ist das Echo der Hysterie aus den siebziger Jahren. Allerdings medial verstärkt durch Bild & Co. Nach dem Motto: »Demokratie ja, aber jetzt mal ohne Grundgesetz«.

Kann man über die RAF lachen?

Ja, klar! Allein schon über den Namen »Rote Armee Fraktion«. Es gibt ein Lachen über Terror und Größenwahn.

Haben Linke Humor?

Ja, aber nur, wenn er die politische Arbeit nicht behindert.

Lachen Linke heute mehr als früher über sich selbst?

Ja, auf jeden Fall. Heute höre ich öfter ein befreites Lachen.

Politisches Kabarett in Deutschland ist oft von plumpem Antiamerikanismus gefärbt. Wie betrachten Sie die Entwicklung der politischen Kleinkunst in Deutschland nach 1945?

Alles, was pauschal daher kommt, ist meist auch plump. Man muss schon genau hinsehen, was in Guantánamo mit den Menschenrechten passiert. Für das, was die amerikanische Regierung und ihre Subunternehmer im Irak anrichten, haben wir erstaunlich wenig Terror vor den Toren Ram­steins.

Wie sieht die Zukunft des politischen Kabaretts in Deutschland aus?

Ein noch lebender Altmeister unseres geschätzten Gewerbes hat hinter vorgehaltener Hand die Parole ausgegeben: »Es geht um nichts mehr, aber es ist jede Menge Kohle da, und die räumen wir ab.« Diese Art von emotionalem Vorruhestand habe ich noch nicht erreicht. Das politische Kabarett lebt, weil das tiefe Bedürfnis nach Satire nicht totzukriegen ist.

Sie treten demnächst bei der »Lachmesse« in Leipzig auf. Gibt’s da was zu lachen?

Der Titel der Veranstaltung lässt es nicht unbedingt vermuten. Aber seien Sie nicht so streng mit Titeln und Namen: Are there real tigers in the Jungle World?

Was ist deutscher Humor?

Wenn ich das wüsste! Rein deutscher Humor? Bayrischer Humor? Rheinischer Humor? Was ist die Berliner Luft, Luft, Luft? Und noch eine Gegenfrage: Was ist deutsch?

Finden Sie es lustig, wenn Sie sich stundenlang durchs TV zappen und von einer Comedy-Show in die nächste geraten?

German comedy ist die Antwort auf die englische Küche.

Sind die Deutschen witziger geworden?

Heinz Erhardt würde sagen: »Nein!«

Erleichtern es Comedians wie Kaya Yanar den Deutschen, Ressentiments gegenüber Einwanderern abzubauen?

Schwer zu sagen! Haben Pizzerien in den neuen Ländern die Fremdenfeindlichkeit abgebaut?

Lange war es in Deutschland tabu, über Hitler und die Nazis Witze zu machen. Heute macht sie jeder. Sind Nazi-Witze verharmlosend?

Ich finde Witze im politischen Kabarett fehl am Platze. Die Frage, ob Guido Knopp Geschichts­pornografie betreibt oder ob sich Hitler als Bruno Ganz im Kino selbst verharmlost, ist viel interessanter.

Hillary Clinton stellte in einem Wahlkampf­video die letzte Szene der erfolgreichen Mafia-Serie »The Sopranos« nach. Sie spielte dabei den Mafiaboss Tony Soprano. Gibt es in anderen Ländern ein besseres Verständnis für Humor?

Sie halten mich für einen internationalen Humorspezialisten. Aber der bin ich nicht. Ob Hillary Clinton Humor hat, weiß ich nicht. Auf jeden Fall hat sie einen guten PR-Berater und ist damit deutschen Politikermimen weit voraus. Obwohl ich glaube, dass Helmut Kohl einen vorzüglichen Paten Corleone abgäbe. Leider scheut die CDU den werbewirksamen Schritt ins kriminelle Milieu.

Über wen oder was lachen Sie am meisten?

Über »Sein oder nicht sein« von Ernst Lubitsch. A Jewish-German comedy from 1942.