Expandieren wie geschmiert

Siemens und der Staat von lutz getzschmann

Es leuchtet durchaus ein, dass ein kapitalistisches Unternehmen lieber kooperative als kämpferische Betriebsräte hat. Dass man Vertreter der Lohnabhängigen auch »schmiert«, wenn es sein muss, wissen kritische Betriebsaktivisten schon seit längerem. Wirklich erstaunlich ist im Falle Siemens aber, dass es mitunter tatsächlich so profan zugeht, wie man es sonst nie zu behaupten gewagt hätte.

Siemens ist keine Klitsche, sondern für die strategischen Interessen des deutschen Staats ein Schlüsselkonzern, mit dem sich Stichwörter wie Transrapid und Atompolitik verbinden. Der ehemalige Vorstandsvorsitzende Heinrich von Pierer sitzt als Berater von Angela Merkel mit am Tisch, wenn die Bundesregierung die wirtschaftliche Zusammenarbeit etwa mit der chinesischen Regierung ausbaut. Siemens ist mit den außen- und wirtschaftspolitischen Interessen des deutschen Staats eng verwoben.

Und das zahlt sich aus: für die Bundesregierung, die wirtschaftspolitisch im Boomland China einen Fuß in die Tür bekommt, und für den Siemens-Konzern umso mehr, der inzwischen in China gut 40 000 Beschäftigte hat, 60 Regionalbüros unterhält und 70 Tochterfirmen und Joint Ventures betreibt.

Die von Siemens gebaute Transrapid-Strecke in Shanghai etwa ist nicht zuletzt ein Erprobungsfeld für die Transrapid-Pläne an anderen Standorten. Unter anderem deshalb beteiligte sich die Bundesregierung an deren Finanzierung direkt mit 100 Millionen Euro und mit Bürgschaften von weiteren 500 Millionen Euro. Das Gesamtvolumen des Projekts wird von der Bundesregierung mit 750 Millionen Euro angegeben.

Fern der heimatlichen Gefilde aber lässt es sich gut investieren. Umso mehr, wenn man Freunde hat, die für einen einstehen. Als Edmund Stoiber jüngst nach Vietnam reiste, war er unter anderem als Türöffner für den Siemens-Konzern unterwegs, um diesem den Auftrag für den Bau der U-Bahn in Ho-Chi-Minh-Stadt zuzuschanzen. Auftragsvolumen: eine Milliarde Euro. Dabei verknüpfte der bayerische Ministerpräsident erstaunlich offen die Auftragsvergabe mit künftigen Zahlungen von Entwicklungshilfegeldern.

Insofern kann der neuerliche Skandal um die möglichen Schmiergeldzahlungen an die AUB durchaus als symptomatisch für die sozialpartnerschaftlichen Befriedungsstrategien in jenen Konzernen gelten, in denen renitente Interessenvertretungen der Lohnabhängigen besonders störend für den Ablauf der Geschäfte wären. Auch wenn die IG Metall jetzt wieder Hoffnung schöpft, weil eine gelbe Spaltergewerkschaft bloßgestellt wurde, liegen die Ähnlichkeiten mit der VW-Affäre auf der Hand.

Aber während die sozialdemokratische Variante auf Betreiben des Schröder-Kumpels Peter Hartz darauf hinauslief, die bei Volkswagen traditionell starken »Betriebsfürsten« der IG Metall zu umgarnen und sich die Loyalität des Betriebsratsvorsitzenden mit drei Millionen Euro zu erkaufen, ging das Siemens-Management offenbar lieber auf Nummer Sicher und baute sich gleich eine eigene Truppe auf.