Der Wiener Musiker Franz Wenzl alias Austrofred

He will rock you

Österreich ist kein Niemandsland in Sachen Pop. Denn es gibt Austrofred.

Ein Freund aus Wien zeigte sich eher skeptisch: »Nein, ich glaube nicht, dass du ihn verstehen kannst. Wer nicht aus Österreich ist, tut sich da schwer.« Ganz unrecht hatte er sicher nicht. Denn wer nicht mit den seltsamen Blüten des österrei­chischen Sprachgebrauchs vertraut ist, wer Worte wie ­»schiach«, »Gschpeibert« oder »verwordagelt« nicht kennt, wird Austrofred manch­mal wohl nicht verstehen. Und wem das Genre Austropop nichts sagt, auf den könn­te Austrofred zunächst etwas befremdlich wirken.

Der Wiener Musiker, der eigentlich Franz Wenzl heißt, stimmt einerseits zu: »Der Dia­lekt macht es manchen Menschen natürlich schwer, meinen Songs zu folgen. Und das musikalische Material, auf das ich zurückgreife, also die Klassiker des Austro­pop, kennt auch nicht jeder. In Bayern funk­tioniert es noch. Aber ich habe auch schon in Chemnitz gespielt. Da wurde der Auftritt doch sehr zäh irgendwann.«

Andererseits habe Austrofred auch noch andere Seiten und spiele mit anderen Bezügen, sagt er selbst. Die auffälligste Verbindung besteht sicher zu der britischen Rockband Queen. Der Wiener bedient sich nicht nur der Musik des Quartetts um den längst verstorbenen Sänger Freddie Mercury. An ihn hat er sein Äußeres angelehnt, von ihm hat er sich einen Teil des Namens ausgeborgt. Und so steht Austrofred dann auf der Bühne, mit Schnauzer, Lederkäppi und Lederkluft, und singt zum instrumen­talen Playback von »We are the champions!« einfach »Austrofred ist der Champion!« Aus »We will rock you!« wird ein rhythmisch wackeliges, aber doch irgendwie charman­tes »Schifoan!«

Das Stück über die Freuden des alpinen Wintersports dürfte zu den bekanntesten Austropop-Songs gehören. Sein Interpret ist ein herausragender Vertreter des Genres, wie Austrofred ausführt: »Wolfgang Ambros, der ›Schifoan‹ geschrieben hat, hat wohl mit Georg Danzer das Entstehen des Austropop bewirkt.« Wenzl nennt die Stilrichtung ein »Dialekt-Songwriter-Movement«. Sie ist in den siebziger Jahren aufgekommen und hat die Popkultur in Österreich für einige Zeit bestimmt. »Am Anfang der Achtziger ist diese Szene aber sehr behäbig geworden. Und seither ist nichts Innovatives geschehen«, sagt Wenzl.

In der Presse wurde er selbst häufig als neuer Vertreter des Austropop bezeichnet. Das kann man so sehen. Doch Austrofred ist natürlich auch eine Parodie auf das Provinzielle und Hinterwäld­lerische, das in dem Versuch steckt, den Pop in eine natio­nale oder regionale Form zu zwängen.

Aber letztlich herrscht bei dem öster­reichischen Musiker so etwas wie Selbst­bedienung für das Publikum. Jeder kann sich das herauspicken, was ihm gefällt. So kommen zu seinen Konzerten Fans von Queen, Leute mit Sinn für die Ironie oder Menschen, die einfach nur Spaß haben wollen. Und deshalb verschlägt es ihn an äußerst unterschiedliche Orte: »Ich trete auf Hochzeiten ebenso auf wie auf irgendwelchen Kunstaktionen. Die Leute sehen in Austrofred das, was sie sehen wollen. Das ist ja auch schlau fürs Geschäft, wenn man alle Segmente gleichermaßen anspricht.«

Dabei bleibt letztlich immer offen, was echt ist an dieser Figur und was nicht, was ernst ist und was ironisch. Die Musik nehme er auf jeden Fall ernst. Und sich selbst? »Wenn man in einer authentischen und seriösen Rock­band spielt, schwingt ja dennoch immer ein gewisses Maß an Stilisierung und Künstlichkeit mit. Thom Yorke von Radiohead leidet mit Sicherheit auch nicht den ganzen Tag. Er hat sich ebenso eine Kunstfigur aufgebaut wie ich, nur eben eine melancholische«, sagt Wenzl. Aber Austrofred sei nicht vollkommen unecht. Aus einer gewissen Authentizität müsse eben auch er schöpfen, führt der Österreicher weiter aus.

Doch bei der Frage, was denn nun echt ist und was nicht, kann man auch schnell in die Falle tappen. Kürzlich be­richtete Austrofred in seinem On­line-Tagebuch von einem ganz besonderen Kompositionsauftrag. Er solle für das österrei­chi­sche Bundesheer eine neue Hymne kom­ponieren, stand da geschrie­ben. Man sei an ihn herangetreten mit der Bitte, das Stück »In the army now« von Status Quo mit einem österreichischen Text zu versehen. »Ich könnte zweifellos eine Hymne für die Armee aufnehmen«, sagt Wenzl, muss dann aber lachen. »Der Tagebucheintrag war natürlich Blödsinn. Das wäre ja auch zu absurd. Es gilt eben: Nicht jedes Wort von Austrofred stimmt!«

Und nicht alles, was über ihn gesagt wird, ist richtig. Ein eifriger Fan hat einen Eintrag im Online-Lexikon Wiki­pedia verfasst, in dem er den Musiker als »oft missverstandenen Musikkabarettisten« bezeich­net. Wenzl kann da nur teilweise zustimmen: »Anscheinend werde ich wirklich missverstanden. Der Schreiber bei Wikipedia hat ja selbst schon einen Fehler begangen. Ich bin sicher kein Kabarettist. Ich bin ganz einfach ein Rockmusiker.«

Aber er ist nicht nur das. Mittlerweile gibt es bereits zwei DVDs von und mit Austrofred. In »Fit mit Austrofred« erhält der Zuschauer wichtige Ratschläge und Tipps in Sachen Workout. Der Film »Giving Gas« ist hingegen nach der Dar­stellung des Machers »eine atemberaubende Achterbahnfahrt durch alle Instan­zen des heimischen Kfz-Wesens, wie sie sich selbst Franz Kafka und Paul Löwinger wohl nur nach einer Überdosis Glykolwein hätten vorstellen können«.

Noch dazu hat Wenzl eine eigene Fern­sehserie mit dem Namen »Hello Austro­fred! Hello Vienna!« In ihr begibt er sich in die Häuser und Wohnungen österrei­chischer Prominenter, die wohl über die Landesgrenzen hinaus nicht bekannt sein dürften. In diesen Home­stories versucht Wenzl dann, Geschichten und Seiten von diesen Personen zu erfahren, die vorher unbekannt waren. »Wir haben den Bamschabl besucht, einen österreichischen Komiker, dessen Humor seit den siebziger Jahren eigentlich nicht mehr aktuell ist. Aber als Musiker interessiert er sich für neue Opernformen. Das hat vorher niemand gewusst«, ist sich Wenzl sicher.

Austrofreds größter Wurf dürfte freilich die Autobiografie sein, die im vergangenen Jahr erschienen ist. »Alpenkönig und Menschenfreund. Mein Leben« heißt sie. Der Leser kann darin den Weg des Künstlers verfolgen, vom Ministranten über die Auftritte in der Showband »Crazy Diamonds« bis zu Austrofred.

Noch dazu ist alles in einem sehr charmanten Stil erzählt. »Schmäh« nennt man das wohl. Die souveräne Erzählweise hat etliche Rezensenten zu nicht gerade unbedeutenden Vergleichen hingerissen. Manche stellten die Autobiografie in eine Reihe mit Heinz Strunks »Fleisch ist mein Gemüse«. Andere fühlten sich von dem ironischen Stil an Helge Schneider erinnert. Doch wenn es um mögliche Vorbilder geht, legt der ruhige Musiker seine Zurückhaltung ab. Letztlich habe ihn nur einer wirklich angeregt, sagt Wenzl: »Meine größte Inspiration war Austro­fred!«