Sinn Fein unter Beschuss

Nach einem spektakulären Bankraub und einem Mord in Belfast haben die nordirischen Republikaner ein Imageproblem.von matthias becker

Am 21. Dezember überfielen mehrere Täter eine Filiale der Northern Bank im Stadtzentrum Belfasts. Zuvor hatten sie Bankangestellte und deren Familien als Geiseln genommen. Zweimal mussten die Täter mit einem Kleinbus vor der Bank anhalten, um die Geldscheine abzutransportieren. Insgesamt erbeuteten sie etwa 26,5 Millionen Pfund (38,12 Millionen Euro). Die Aktion lief mit militärischer Präzision ab, nur bei der Nachbereitung ging einiges schief: Während einer Welle von Hausdurchsuchungen und Razzien stellte die nordirische Polizei, der Police Service of Northern Ireland, mehrere tausend Pfund sicher, die anscheinend Teil der Beute sind.

Trotz bisher dürftiger Indizien sind sich der britische Minister für Nordirland, Paul Murphy, und die Polizei ganz sicher: Hinter der Aktion steckt die Irische Republikanische Armee (IRA). Der Justizminister der Irischen Republik, Michael McDowell, ging noch weiter und beschuldigte drei Führer von Sinn Fein, dem politischen Arm der IRA, Mitglieder des siebenköpfigen Oberkommandos der IRA zu sein, darunter auch den Vorstitzenden Gerry Adams. Sinn Fein dementierte wiederholt die Vorwürfe, Adams forderte sogar rhetorisch seine Verhaftung, die ja angemessen wäre, sollte ihm die Mitgliedschaft nachzuweisen sein. Bei dem Vorwurf der Mitgliedschaft in der IRA geht es nicht nur um Ämterteilung. Als politischer Arm der IRA konnte die Sinn Fein nur deshalb am so genannten Friedensprozess teilnehmen, weil sie immer den Schein organisatorischer Unabhängigkeit wahrte.

Mehr als der Überfall, den viele Nordiren bei der Konfessionen mit einer gewissen Schadenfreude kommentieren, schadet Sinn Fein ein Mord, der Anfang Februar in Belfast verübt wurde. Gerry Adams forderte daraufhin die Bevölkerung auf, die Täter nicht zu schützen – ein Schritt, der nicht zu unterschätzen ist, weil in vielen Vierteln Belfasts der britischen Polizei üblicherweise nur mit Misstrauen begegnet wird.

Am Samstag stellte sich einer der Täter selbst der Polizei, während drei andere von der IRA-Führung ausgeschlossen wurden. In einer Stellungsnahme hieß es, die drei seien »in einem Prozess vor einem Kriegsgericht« schuldig befunden worden.

Die Parteiführung gibt sich trotz der Krise zuversichtlich. »Wir haben schon schlimmere Krisen überstanden«, sagte ihr Sprecher Danny Morrison in der vergangenen Woche. Die Sinn Fein ruft ihre Anhänger zu Protestdemonstrationen gegen die »Verleumdungen« auf, die IRA streitet jede Verbindung zu den Tätern ab. Diese Dementis werden allerdings kaum ernst genommen, denn bereits in der Vergangenheit hat sich die IRA von unpopulären Aktionen distanziert, für die sie in Wirklichkeit die Verantwortung trug, um ihre Sympathien in der katholischen Bevölkerung nicht zu verlieren.

Andererseits gab es auch Fälle, in denen ehemalige IRA-Kämpfer Enteignungsaktionen auf eigene Rechnung durchführten, wobei die Bestrafung durch die Republikaner dafür üblicherweise drastischer ausfiel als durch den britischen Staat. Wer wirklich hinter dem Überfall vom 21. Dezember steckt, ist völlig unklar. Die Professionalität des Überfalls und die aufwändige Logistik der Aktion weisen zwar darauf hin, dass es sich bei den Tätern nicht um Gelegenheitskriminelle handelt, sie könnten aber eben so gut zu einer der loyalistischen paramilitärischen Gruppen gehören oder ehemalige Mitglieder der IRA sein.

Es kursieren auch Spekulationen, dass eine republikanische Fraktion mit dem Überfall den Friedensprozess zum Kippen bringen will. Ein solches Kalkül könnte sich auf eine gewisse Frustration unter der katholischen Bevölkerung stützen. Viele haben das Gefühl, dass die Beendigung des Konflikts gegenwärtig an der Unnachgiebigkeit der Protestanten scheitert.

2002 hatte die britische Regierung das nordirische Parlament aufgelöst, seitdem wird Nordirland wieder von London aus verwaltet. Die wichtigste loyalistische Partei Nordirlands, die Ulster Unionists Party (UUP) unter David Trimble, beharrte in den Verhandlungen zuletzt darauf, die Entwaffnung der IRA müsse mittels Fotos belegt werden, was diese wiederum als »entehrend« ablehnte. Dabei kämpft die UUP selbst um ihre Vorherrschaft in der protestantischen Bevölkerung gegen die extremen Loyalisten der Democratic Unionists Party (DUP), die Verhandlungen mit Sinn Fein grundsätzlich ablehnt.

Manche Kombattanten der IRA dürften ohnehin nur ein geringes Interesse an einem Friedensschluss haben. Sie haben sich mit dem Konflikt eingerichtet, wie auch die protestantischen Paramilitärs, die eng mit Drogenhandel, Schmuggel und Prostitution verwoben sind. Aber die Mehrheit der Bevölkerung ist kriegsmüde. »Die Menschen unterstützen weiterhin den Friedensprozess«, sagt Paid McIntyre von der deutschen Solidaritätsgruppe Friends of Ireland. »Sinn Fein konnte nur zu einer solchen politischen Kraft werden, weil sie den bewaffneten Kampf beendet hat.«

Sinn Feins Gegner versuchen nun, den Bankraub zu nutzen, um den scheinbar unaufhaltsamen Aufstieg der Partei zu bremsen. Seit dem Good Friday Agreement 1998 ist Sinn Fein zu einem ernst zu nehmenden politischen Konkurrenten geworden. Am kommenden 5. Mai werden in Nordirland Regionalwahlen stattfinden, und vor dem Überfall und der sich an ihn anschließenden öffentlichen Debatte war der Partei allgemein ein Zuwachs an Stimmen zugetraut worden. Sinn Fein tritt auch in der Republik Irland zu Wahlen an und versucht mit einigem Erfolg, sich als gesamtirische Partei zu etablieren. Insbesondere die südirischen Sozialdemokraten haben allen Grund, die Konkurrenz Sinn Feins zu fürchten: Die Partei präsentiert sich dort als gemäßigt sozialistische, aber integere Alternative zur herrschenden konservativen, wirtschaftsliberalen Koalition und der schwachen Opposition.

Viele Iren im Süden sind frustriert von den etablierten politischen Parteien, besonders von der Regierungspartei Fianna Fail, die quasi seit der Unabhängigkeit das Land regiert. Das Wirtschaftswunder in der Republik Irland während der neunziger Jahre, das manche Kommentatoren veranlasste, vom »keltischen Tigerstaat« zu sprechen, hat Irland auch eine blühende Korruption verschafft. Insbesondere die konservativen gemäßigten Nationalisten der Fianna Fail, die eng mit Wirtschaftskreisen verwoben sind, standen in den vergangenen Monaten immer wieder im Mittelpunkt neuer Enthüllungen über Korruption. Bei den Kommunalwahlen im vergangenen Jahr verlor Fianna Fail 20 Prozent, während Sinn Fein mit 11,4 Prozent einen Stimmenzuwachs von 5,4 Prozent verzeichnen konnte.