Der Kulturkrieg findet statt

Im beginnenden US-Wahlkampf sind die Demokraten finanziell unterlegen. Doch gegen die konservative Politik George W. Bushs hat sich eine linksliberale Opposition gebildet. von william hiscott

Es gibt zwei Dinge, die wichtig sind in der Politik. Das erste ist Geld, und an das zweite kann ich mich nicht mehr erinnern.« Es war nicht George W. Bush, der die republikanische Wahlkampfstrategie so erläuterte, sondern Senator Mark Hanna im Jahre 1896.

Gemessen an der Kaufkraft der eingesammelten Dollars aber hat Bush die Leistung dieses Pioniers des republikanischen Fundraising überboten.

Bush will mindestens 170 Millionen Dollar allein für seine Aufstellung als Kandidat der Republikaner bei den Vorwahlen sammeln, obwohl kein Konkurrent antritt. Denn auf republikanischer Seite ist jetzt bereits klar, dass George W. Bush der geeignetste Kandidat ist, um die Mehrheit im Kongress, die Vormachtstellung in den Bundesstaaten und in den Kommunen sowie die konservative Hegemonie in der Gesellschaft auszubauen.

Bis zum Tag der Entscheidung im November 2004 ist zwar noch viel Zeit, doch der Wahlkampf in den USA hat bereits begonnen. Allen Schätzungen zufolge wird den Republikanern auch dieses Mal deutlich mehr Geld zur Verfügung stehen als den Demokraten. Die gegenwärtig in den USA sehr starken konservativen Medien, allen voran Rupert Murdochs Nachrichtenimperium, werden die Republikaner zweifellos unterstützen. Sie betreiben einen regelrechten Personenkult um Bush und ziehen schon jetzt die demokratischen Kandidaten für das Präsidentenamt durch den Dreck. Abgesehen von ihren Hochburgen, hat die Demokratische Partei kaum etwas zu verlieren. Und sogar hier bröckelt ihr Einfluss, selbst die liberale Westküste könnte in republikanische Hände fallen.

Insgesamt eine schlechte Ausgangsposition für die Demokratische Partei. Acht Männer und eine Frau konkurrieren um die Kandidatur gegen Bush, niemand von ihnen verfügt auch nur annähernd über die finanzielle, politische und mediale Macht des Amtsinhabers.

Dennoch gibt es eine Hoffnung auf einen regime change. Die andauernde Rezession und der Zusammenbruch der Aktienmärkte gefährden das private Rentensystem und die Altersversorgung vieler Millionen Amerikaner. Bush antwortete auf die Krise 2001 und noch einmal in diesem Jahr mit Steuerentlastungen, von denen zwar Konzerne und Schwerreiche profitieren, die aber den unteren Mittelschichten und den working poor kaum etwas bringen. Und Bill Clinton gewann 1992 die Wahlen unter dem Motto »It’s the economy, stupid« gegen einen im Irakkrieg siegreichen George Bush senior.

Und Bush senior wurde nie vorgeworfen, er habe die Öffentlichkeit belogen, um den Krieg zu legitimieren. Einer neuen Gallup-Umfrage zufolge sind dagegen 31 Prozent der befragten Amerikaner der Meinung, dass Bush junior sie »absichtlich in die Irre führte«. Die Kongressabgeordnete Jane Harman, eine ranghohe Demokratin im Intelligence Committee des Abgeordnetenhauses, hat zudem am 25. Juni erklärt, dass Bush die geheimdienstlichen Berichte dramatisiert habe. Sie fordert einen unabhängigen Ausschuss zur Klärung des Sachverhaltes, der Präsidentschaftskandidat Bob Graham, Senator aus Florida und ehemaliger Vorsitzender des Intelligence Committee des Senats, hat diese Forderung zum zentralen Thema seines Wahlkampfes gemacht.

Mit den fast täglichen Überfällen im Irak wird unübersehbar, dass Bush die Kämpfe voreilig für beendet erklärt hat. Jeder tote Soldat kommt in Wahlkampfzeiten ungelegen, und Bush kann der Debatte über seinen außenpolitischen Kurs nicht mehr ausweichen. Auch die lange Zeit erfolgreich unterbundene Diskussion über die »innere Sicherheit« wird nun geführt. Die als linksliberal geltenden demokratischen Kandidaten Howard Dean und Dennis Kucinich gehen gegen Bush in die Offensive und diskutieren offen über den Abbau der Bürgerrechte und die Gefahren des schroffen Umgangs der USA mit dem Rest der Welt.

Mit seiner reaktionären Sozial-, Justiz- und Umweltpolitik, seinen konservativen Moralvorstellungen und seiner wirtschaftlichen Klientelpolitik hat Bush alle progressiven Organisationen und Lobbyverbände gegen sich aufgebracht. Greenpeac, die Rainbow Coalition, das Institute for America’s Future, die National Organization for Women und zahlreiche andere Gruppen kämpfen konsequent gegen seine Wiederwahl, prominente Intellektuelle wie Richard Rorty, Norman Mailer, Judith Butler und Susan Sonntag schließen sich der Kampagne an.

Nicht nur die linksliberalen Medien wie die Nation, Mother Jones und die Village Voice laufen Sturm gegen Bush. Auch die großen liberalen Zeitungen wie die Los Angeles Times und die Washington Post trauen sich langsam, Kritik zu üben. Die New York Times allerdings muss sich nach mehreren Plagiats- und Falschmeldungsskandalen damit zufrieden geben, Michael Bloomberg, den republikanischen Bürgermeister von New York City, zu kritisieren.

All dies scheint den linksliberalen Flügel der Demokraten wach gerüttelt zu haben. Die Dominanz des Democratic Leadership Council, der etwa dem Seeheimer Kreis der SPD vergleichbar ist, wurde unter Clinton von den Linksliberalen akzeptiert. Sie haben aber nicht vergessen, dass es Clinton war, der die Reste der in den sechziger Jahren von Lyndon Johnson begonnenen sozialstaatlichen Great-Society-Politik beseitigte. Mit Howard Dean, einem Arzt, der ein umfassendes staatliches Gesundheitssystem befürwortet, gehört nun ein Linksliberaler zu den Favoriten bei den Primaries. In einer reinen Persönlichkeitswahl ist George W. Bush kaum zu schlagen, nur die Präsentation einer klaren politischen Alternative kann den Demokraten zum Sieg verhelfen. Dies könnte dem linken Flügel der Demokraten helfen, einen linksliberalen Kandidaten durchzusetzen.

Vor zwei Wochen hat das Oberste Gericht entschieden, dass die gegen Homosexuelle gerichteten Anti-Sodomiegesetze wegfallen müssen. Damit habe der Gerichtshof »in einem Kulturkrieg Stellung bezogen«, schrieb der erzkonservative Richter Antonin Scalia in der Begründung seines Minderheitenvotums und lieferte eine treffende Kennzeichnung der gesellschaftlichen Zustände in den USA. In diesem »Kulturkrieg« bildet sich nun innerhalb und außerhalb der Demokratischen Partei eine Front, deren wichtigstes Ziel es ist, die Wiederwahl der Führungsfigur der konservativen Offensive zu verhindern.