Kriegsverbrecher in Kroatien

Kritische Dokumente

Langsam werden die kroatischen Politiker ungeduldig. Seit mehr als zwei Monaten lassen sie nach General Ante Gotovina fahnden, doch er ist schlicht nicht aufzutreiben. »Vor ein paar Wochen habe ich gehört, dass er sich nach Bosnien-Herzegowina abgesetzt hat, aber gleich nach dieser Meldung gab es wieder ein Dementi. Ich weiß wirklich nicht, wo wir ihn noch suchen sollen«, sagte Tomislav Jakic, ein außenpolitischer Berater des kroatischen Staatspräsidenten Stipe Mesic, ein wenig resigniert der Jungle World.

Denn eines weiß Jakic ganz genau: »Wenn wir Gotovina nicht bald finden, kriegen wir ein großes außenpolitisches Problem, und Kroatien wird wieder so isoliert sein wie in der Ära Tudjman.« Schließlich verlangt Carla Del Ponte, die Vorsitzende des Kriegsverbrechertribunals in Den Haag, die Verhaftung und Auslieferung des Generals.

Das Tribunal möchte ihn haben, weil er im Sommer 1995 an der Ermordung und Vertreibung serbischer Zivilisten während der Rückeroberung der Krajina durch kroatische Truppen beteiligt gewesen sein soll. Damals wurden 200 000 in der Region lebende Serben zur Emigration gezwungen, hunderte wurden massakriert.

In der Umgebung der Provinzhauptstadt Knin brannten Kroaten etwa 60 Prozent der von Serben bewohnten Häuser nieder. Gotovina war damals Kommandant der kroatischen Truppen in diesem Gebiet und deshalb vermutlich an der systematischen Vertreibung der Serben beteiligt.

Mit seiner Flucht spielt er nun auf Zeit. Zwar kann er nicht darauf hoffen, langfristig den Häschern zu entkommen, doch in seiner vorübergehenden Abwesenheit bauen ehemalige Kameraden eine gar nicht so wirkungslose Verteidigungsstrategie auf. So gab der rechtsextreme kroatische Veteranenverband Honos Ende August in Zagreb eine Pressekonferenz, die den Reportern vor allem eines beweisen sollte: Gotovina mag von den Kriegsverbrechen seiner Truppen gewusst haben, doch geplant wurden sie von der damaligen Zagreber Führung unter Präsident Franjo Tudjman und von den USA. Ein Foto von Gotovina im Kreise dreier US-amerikanischer Offiziere, aufgenommen kurz vor der Offensive in der Krajina, sollte den Verdacht unterstreichen.

Tatsächlich scheinen die USA eng in die Planungen der kroatischen Führung eingebunden gewesen zu sein. »Die Amerikaner haben die Kroaten bei der Planung der Offensive unterstützt«, sagt heute der Präsidentenberater Jakic. Dabei war ihre Unterstützung vor allem ein Teil des großen und letztlich gescheiterten Plans zur endgültigen Befriedung der Region. Der Deal lautete: Die US-Amerikaner unterstützen die Kroaten bei der Krajina-Offensive, im Gegenzug gibt Franjo Tudjman seine Einwilligung zur Etablierung einer moslemisch-kroatischen Föderation in Bosnien-Herzegowina und nimmt auch an der Friedenskonferenz in Dayton teil, die im November 1995 stattfand.

»Wir haben niemals gedacht, dass die Krajina-Operation etwas anderes als Flüchtlinge und eine Menge humanitärer Probleme produzieren würde, aber es war wichtig für Dayton«, schreibt der damalige US-Außenminister Warren Christopher in seinen Memoiren.

Die Hilfe der US-Amerikaner wird nun zum Problem für die Haager Ankläger des flüchtigen Gotovina: »Noch heute weigern sich die Amerikaner, Satellitenfotos von der Operation an das Gericht weiterzuleiten. Damit wird eine Verurteilung Gotovinas nicht unbedingt erleichtert«, sagt Tomislav Jakic.

Selbst das Tribunal, das ansonsten eng mit den USA verbunden und auf ihre Unterstützung angewiesen ist, schreibt in einem Bericht über die Behinderung der Ermittlungen »durch die Weigerung Washingtons, kritische Dokumente herauszugeben, die vom Tribunal angefordert wurden«. Ante Gotovina würde sich garantiert über eine Rechtshilfe der Amerikaner freuen. Aber leider ist er eben nicht aufzutreiben.