Eiskunstlauftrainerinnen

Klatschpeng-Patschweg

Jahrzehntelang waren Eiskunstlauftrainerinnen selbst für Laien problemlos schon von weitem zu erkennen. Denn niemand durfte ohne die äußerlichen Abzeichen der Zunft jungen Menschen ungestraft doppelte Rittberger oder Todesspiralen beibringen.

Die Haare hatten z.B. im Turnlehrerinnenstil streng nach hinten gekämmt und im Nacken zu einem Betonknoten zusammengefasst zu sein. Über dem anthrazitfarbenen Mohair-Rollkragenpullover musste an einer langen Panzerkette ein großer goldener Anhänger baumeln, der sich zur Not auch als Nahkampfwaffe einsetzen ließ. Ein Kingsize-Pelzmantel und farblich nicht dazu passende Fellstiefel mit Stahlkappen rundeten das Outfit ab.

Aber das allein machte Eiskunstlauftrainerinnen nicht zu so beeindruckenden Gestalten. Bei jedem Wettkampf erteilten sie auch für das Fernsehpublikum leicht fassliche Lektionen, wie man mit einfachen Mitteln sehr subtil eine Aura des Schreckens und des Terrors um sich verbreiten kann. Eine kaum merklich hochgezogene Augenbraue oder ein nur im Ansatz erkennbarer Nasenrümpfer wegen einer verpassten Doppelaxel/Dreifachsalchow-Kombination reichte aus, dass sich nicht nur die Sportler das Folgende ausmalen konnten.

Denn die böse Frau mochte zwar während der Notenverkündung noch beinahe freundlich lächelnd neben ihrem Schützling sitzen, danach aber würde es rundgehen, so viel war klar. »Wie oft habe ich dir gesagt, dass du nicht hinfallen sollst, hä?« Klatsch. »Und wie oft habe ich dir verboten, so lahm abzuspringen?« Patsch. »Hörst du mir überhaupt jemals zu?« Peng. Dass eiskunstlaufende Versager nach nationalen und internationalen Meisterschften oft wochenlang nicht mehr in der Öffentlichkeit zu sehen waren, hatte einen einfachen Grund: Ihre Trainerinnen beherrschten mindestens die dreifache Kombination. Klatschpatschpeng.

So konnte man als Zuschauer immer viel lernen. Jahrelang hatte man Freude an der Sportart, aber seit der Europameisterschaft letzte Woche ist das vorbei. Vielleicht sogar für alle Zeiten? Was auch immer dort neben schwer atmenden Sportlern die A- und B-Noten abwartete, richtige Eiskunstlauftrainerinnen können das nicht gewesen sein. Durchweg sympathisch sahen z.B. die Betreuer der Sieger in der Herren-Konkurrenz aus. Ein kleiner kugeliger Herr mit freundlichem Gesichtsausdruck, der weder Augenbrauen noch Nase bewegte, nahm seinen Schützling sogar lieb lächelnd in Empfang. Selbst junge Frauen mit offenem Haar und ohne Pelzmantel wurden plötzlich hinter der Bande geduldet, ein definitives Zeichen dafür, dass es mit dem Eiskunstlaufen bergab geht.

Nur hinter den Kampfrichterpulten ist die Welt der Kringel und Spiralen noch in Ordnung. Dort haben die gemeinen Turnlehrerinnen mit den Goldanhängern und den stahlkappenbewehrten Fellstiefeln ein letztes Refugium gefunden. Von dort aus dürfen sie weiterhin ihre subtilen Zeichen aussenden. Was sie von den neuen Trainern halten, scheint überdies klar zu sein.

Die nächsten Wochen dürften daher sehr interessant werden, denn es gilt nicht nur, genau zu beobachten, welcher Coach nach vermutlich ausgiebigem Klatschpatschpeng hinter den Kulissen wochenlang die Öffentlichkeit meidet, sondern auch, die zweifellos zahlreichen angeblich freiwilligen Rücktritte aus gesundheitlichen Gründen zu verfolgen.

Dann könnte schon bei der WM im März alles wieder so sein wie früher. Pelzmantel rulez!