Schwedischer Coach für Englands Fußballspieler

Mit Johnny Foreigner gegen die Fritzen

Während sich Fans und Medien anfänglich über die Verpflichtung des Schweden Sven-Göran Eriksson zum englischen Nationalcoach empörten, lenken nun die ersten Kommentatoren ein.

Nur selten hat die Verpflichtung eines neuen englischen Fußball-Nationaltrainers für so bösartige Kommentare gesorgt. »Es ist ein Desaster, ein furchtbarer Fehler«, klagte etwa der Weltmeister von 1966, Jackie Charlton. »Ich bin sehr verärgert. Jeder im Land wird sich noch wundern, wer zum Teufel da als Cheftrainer Englands verpflichtet wurde.« Auch der Vorsitzende der Spielergewerkschaft, Gordon Taylor, stellte fest: »Das ist ein sehr trauriger Tag für den englischen Fußball.«

Was die meisten Kommenatoren so fürchterlich aufregte, war nicht etwa, dass man beim englischen Fußballverband FA nach dem 1. Juli 2001 einen notorisch erfolglosen Coach mit mehr als zweifelhaften Konzepten beschäftigen wollte, sondern dass der für fünf Jahre Verpflichtete den falschen Pass hat. Der 52 Jahre alte Sven-Göran Eriksson spricht zwar fließend Englisch, aber er ist Schwede. »Die Franzosen haben einen Franzosen, die Deutschen einen Deutschen. Und wir haben einen, der noch nicht einmal sein eigenes Land trainiert hat«, erklärte etwa Charlton, ohne darauf einzugehen, dass Eriksson internationale Erfolge vorzuweisen hat. 1976 hatte er als Trainer in der dritten schwedischen Liga begonnen, sechs Jahre später gelang ihm mit dem IFK Göteborg der internationale Durchbruch, als der Verein nicht nur Meister der Allsvenskan-Liga wurde, sondern auch noch den Uefa-Cup gegen den Hamburger SV gewann.

Eriksson ging zu Benfica Lissabon, wurde zweimal Meister, wechselte zum AS Rom, wurde 1994 Pokalsieger mit Sampdoria Genua und ist seit 1997 Trainer von Lazio Rom. Pokalsieger, Europapokalsieger der Pokalsieger sowie Gewinner des europäischen Superpokals wurde der Verein seither, in diesem Jahr schaffte man das Double: Lazio und Eriksson gewannen sowohl die Meisterschaft als auch den italienischen Pokal.

Mit solch einem Coach könnten eigentlich sogar die Engländer zufrieden sein, zumal die Rom-Fans auf die Nachricht von der Verpflichtung ihres Trainers nach England ausgesprochen enttäuscht reagierten. Und italienische Fußballexperten die Wahl sehr lobten: »Für den englischen Fußball ist Eriksson geeignet, weil seine Art kühl, aber nicht kalt ist«, sagte etwa der Ex-Nationaltrainer Dino Zoff. »Eriksson verfügt über die Mittel, um auch in England der Sieger zu sein, der er in Italien war«, erklärte der ehemalige Nationalcoach Arrigo Sacchi.

Englische Zeitungen dagegen sahen das Ende der Fußballwelt gekommen. Ausgerechnet aus einem Land mit nur sieben Millionen Einwohnern, das in der Hälfte des Jahres in der Dunkelheit lebe und von Hammerwerfern und Skifahrern bevölkert sei, komme der neue Coach - dabei hat Schwe-den acht Millionen Einwohner und noch niemals in der Geschichte einen auch nur leidlich erfolgreichen Hammerwerfer hervorgebracht. Aber dass man eine sehr erfolgreiche Tischtennisnation ist und im Orientierungslaufen immer wieder Meisterschaften erringt, hätte die Engländer sicher auch nicht von den Qualitäten Erikssons überzeugt.

Auch nicht, dass FA-Boss Adam Crozier ihn gern als »internationalen Fußball-Professor« beschreibt - Erikssons Verpflichtung kommt für viele einer Bankrotterklärung des englischen Fußballs gleich. Dass es andernorts durchaus üblich ist, Trainer nach ihrer Eignung und nicht nach ihrer Nationalität einzustellen, wird dabei übersehen. Stattdessen müssen andere erfolglose Länder wie Deutschland, wo während der Diskussion um Ribbecks Nachfolge von den Offiziellen die Verpflichtung eines ausländischen Trainers wie Trappatoni kategorisch ausgeschlossen wurde, als zweifelhafte Vorbilder herhalten.

Nach einigen weiteren Ausfällen jedoch besannen sich manche Kommentatoren darauf, dass man in den letzten Jahren mit englischen Trainern regelmäßig fußballerische Desaster erlebt hatte und dass vielleicht nun doch die Zeit für einen international erfahrenen und erfolgreichen Ausländer gekommen sein könnte. Zehn Millionen Mark Jahresgehalt und eine Sonderprämie von 3,3 Millionen für die erfolgreiche Qualifikation zur Weltmeisterschaft im Jahr 2002 bezahlt schließlich auch die FA nicht einfach jedem. Eriksson hatte durchaus noch andere, lukrativere Angebote.

»Habe ich etwas verpasst oder sind Sven-Göran Eriksson plötzlich Hörner und ein gespaltener Schwanz gewachsen? Hat der englische Fußball wirklich für 15 Millionen Silberstücke seine Seele an den Teufel verkauft?« fragte etwa Sun-Kommentator »Greavsie« nach der offiziellen Pressekonferenz, auf der Eriksson der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. »Ist dieser wohlerzogene, intelligente, sprachgewandte Schwede auf einmal zum Anti-Fußballer geworden und ein Mann, der das englische Spiel nur zu seinem eigenen Vergnügen zerstören will?« Nein, resümierte Greavsie, es handele sich lediglich darum, dass »die Mehrheit im Land plötzlich verrückt geworden« sei. Die Vorstellung, dass es ein »Johnny Foreigner« für England richten solle, sei dieser Mehrheit wohl, höflich ausgedrückt, sehr unangenehm, daher rühre auch das Gejammer, es gebe doch so viele erfolgreiche englische Trainer, die viel mehr als »der Schwede« eine Chance verdient hätten. »Name them!« forderte Greavsie, um sich noch einmal genüsslich die Loser auf der englischen Trainerbank vorzunehmen und diejenigen, die noch keine Gelegenheit hatten, gegen Finnland mühselige Unentschieden zu erreichen, ausgiebig zu demontieren.

Eriksson ist also ganz sicher der richtige Mann am richtigen Platz, und dass er, wie einer der Hauptvorwürfe gegen ihn lautet, weder das englische Spielsystem noch die Kicker kenne, stimmt einfach nicht. »Ich bin nicht ausländerfeindlich, aber ...« fangen nach Greavsies Beobachtungen diese und andere Vorwürfe gegen Eriksson in aller Regel an, um dann in endlosen Tiraden über Englands frühere Größe und Vormachtstellung zu enden. »Wir mögen das Spiel erfunden haben, aber wir wissen schon lange nicht mehr, wie es geht - während wir uns selbstsicher im Glauben gewiegt haben, dass England und der englische Fußball absolut großartig sind, haben die anderen daran gearbeitet, besser zu werden.«

Der Mann, um den es so viel Aufregung gibt und der trotzdem wohl am 1. September 2001 anlässlich seines ersten Pflichtspiels in der WM-Qualifikation gegen Deutschland in München auf der Trainerbank sitzen wird, hielt sich einfach zurück. Selbst bei seinem derzeitigen Arbeitgeber verbittet er sich mittlerweile »Fragen über England«. Immerhin hat er bereits prominente Fürsprecher gefunden, wie den brasilianischen Weltmeister Pele: »Er ist immerhin einer der besten und modernsten Trainer.«

Dabei hat der einst beste Fußballer der Welt selbst nie einen Trainerschein gemacht. Aus gutem Grund: »Wenn ich ein Coach geworden wäre und keinen Erfolg gehabt hätte, wäre ich wahrscheinlich nach zwei Monaten umgebracht worden. In England allerdings vielleicht schon nach einem Monat.«