Fujimori opfert Montesinos

Kleingeld aus der schwarzen Kasse

Perus Präsident Fujimori hat seinen Geheimdienstchef Montesinos geopfert, um sich selbst zu retten.

Empörte BürgerInnen warfen vor wenigen Tagen in der südperuanischen Stadt Tacna Maiskörner über die Kasernenzäune. Sie beschimpften die dort stationierte Militäreinheit als feigen Hühnerhaufen, weil sich die Soldaten nicht der Rebellion des Oberstleutnants Ollanta Humala gegen die Armee- und Staatsführung angeschlossen hatten. Humalas Aufstand, der vor gut zwei Wochen in der Nähe von Tacna mit der Besetzung einer Mine begonnen hatte, scheiterte wegen der ausbleibenden Solidarität anderer Armee-Einheiten. Momentan hält sich Humala mit einer Handvoll Soldaten und Hunderten von freiwillig hinzugestoßenen Reservisten in den Anden versteckt. Er will erst dann die Waffen niederlegen, wenn die korrupte Armeeführung, Präsident Alberto Fujimori und Vladimiro Montesinos, der verschwundene ehemalige De-facto-Chef des Geheimdienstes Sin, verhaftet sind.

Die von Montesinos eingesetzten Generäle an der Armeespitze, die sich mit Waffen- und Drogenhandel ihr Zubrot verdienen, sind nervös. Die Meuterei wurde zwar gestoppt, doch die Unzufriedenheit jüngerer Offiziere mit der korrupten Führung kann nicht länger ignoriert werden.

Es kracht nicht nur im Gefüge der Streitkräfte: Das ganze Fujimori-Regime ist morsch und droht, auseinander zu fallen. Wer nicht mit dem Regime untergehen will versucht, rechtzeitig seine Haut zu retten. So trat gleich nach Montesinos Rückkehr aus Panama der als Nachfolger Fujimoris gehandelte Vizepräsident Francisco Tudela zurück. Die erst vor wenigen Monaten von Montesinos zusammengekaufte Parlamentsmehrheit für Fujimori ist nach der Fahnenflucht einer ganzen Reihe von Abgeordneten plötzlich dahin. Exponierte Spitzenfunktionäre wurden von der Öffentlichkeit zum Rückzug gezwungen.

Trotzdem gibt sich das Regime unschuldig. Fujimoris Partner Montesinos, der während seines Aufenthaltes in Panama noch von der Regierung für seine Verdienste bei der Bekämpfung des Drogenhandels und des Terrorismus gelobt wurde, soll plötzlich der einzige Verantwortliche sein. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht weitere Auslandskonten entdeckt oder neue Anklagen gegen ihn erhoben werden. Auf einmal werden Zeugen vernommen, die jahrelang eingesperrt waren oder nicht gehört wurden. Montesinos, dessen Vermögen von der spanischen Zeitung El País auf eine Milliarde US-Dollar geschätzt wird, mag derjenige gewesen sein, der am meisten geraubt hat. Kenner der Szene schätzen aber, dass sich etwa 50 Funktionäre des korrupten Regimes illegal zu Multimillionären bereichert haben: Generäle aus der Armeeführung, Richter und Staatsanwälte, die bei Drogenhändlern kassierten, oder Minister, die sich bei Privatisierungen der öffentlichen Unternehmen bedienten.

Montesinos brauchte außerdem etwas Kleingeld, um seine Anweisungen auf allen Ebenen von Armee, Justiz und Wahlbehörden durchzusetzen. Oder um Abgeordnete, Presseleute und Bürgermeister zu kaufen. Nach Schätzungen kamen etwa 500 Personen, Zivilisten und Militärs in den Genuss regelmäßiger Zuwendungen. Montesinos verfügte zu diesem Zweck über eine Schwarzgeldkasse von schätzungsweise 100 Millionen Dollar - Geld aus der Staatskasse, von dem zumindest Fujimori und der Wirtschaftsminister wussten.

Der Präsident war letztlich der Nutznießer dieses Systems. Seine Mehrheit im Kongress hatte er dem Kauf von Abgeordneten zu verdanken, seine Wahlerfolge einer gleichgeschalteten Justiz, der Hofberichterstattung in den Medien und den Manipulationen der zuständigen Behörden. Ohne eine ruhig gestellte Armee hätte er nicht zehn Jahre an der Macht bleiben können.

Das Spiel war aus, als Montesinos' Verwicklung in den Verkauf von 10 000 Kalaschnikow-Gewehren an die kolumbianische Farc aufflog. Die USA drängten auf die sofortige Entlassung des ehemaligen CIA-Agenten. Vieles spricht dafür, dass die CIA selbst der Opposition jenes Video zuspielte, das zum Sturz Montesinos' führte, und den Schweizer Behörden den Hinweis auf seine dortigen Millionenkonten gab. Aus Stabilitätsgründen setzen die USA dennoch weiter auf Fujimori. Das US State Department sprach sich offiziell dafür aus, dass er den so genannten Übergangsprozess bis zu den Wahlen am 8. April leitet.

Rechtsstaatliche Wahlen sind natürlich nicht garantiert, solange Fujimori regiert. Die Wahlbehörden, die Justiz und die Medien werden nach wie vor von der Präsidentenmafia kontrolliert. Am Runden Tisch, an dem die Regierung mit der Opposition unter Vermittlung der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) die Bedingungen des Wahlprozesses aushandelt, verschleppt und verzögert sie eine Einigung, wo sie nur kann. Beispielsweise hatte Fujimori Ende September die sofortige Auflösung des von Montesinos geleiteten Geheimdiensts Sin angekündigt. Dazu wurde eine Kommission gebildet - ohne Oppositionsvertreter. Das ist Transparenz, wie sie die Regierung versteht.

Fujimoris größtes Problem bleibt aber zunächst Montesinos. Der ist immer noch nicht aufgetaucht. Kein Wunder: Würde er vor Gericht gestellt, könnte die ganze Mafia, mit Fujimori an der Spitze, ins Gefängnis wandern. Also bleiben nur zwei Möglichkeiten: Montesinos entkommt, oder er wird umgebracht. Beide Fälle brächten die Regierung in Bedrängnis. Eine Flucht wäre besonders kompliziert, denn die Schweizer Behörden werden demnächst wohl einen internationalen Haftbefehl gegen Montesinos erlassen. Dann würden dem einst so mächtigen Mann nur noch wenige Länder Asyl gewähren. Die Schlinge um Montesinos' Hals zieht sich zu. Fujimori versucht derweil, sich und sein Vermögen zu retten.