Daums Entlassung

Nase voll

Der »Trainer Daum« (Waldemar Hartmann) war nach seiner - wegen welcher Substanz auch immer - positiv ausgefallenen Haaranalyse kaum bei Bayer Leverkusen entlassen, da musste jeder in der Bundesliga Beschäftigte seinen Kommentar zum »Menschen Daum« (Rainer Calmund) abgeben.

Der sei ganz sicher »krank« (Gerhard Mayer-Vorfelder) bzw. »sehr krank« (Franz Beckenbauer) und jetzt müsse ihm dringend geholfen werden, ganz so, als ob es sich beim ehemals designierten Nationalcoach um ein Drogenwrack handelte. Handelt es sich aber nicht, denn immerhin war der Mann bisher sehr erfolgreich - im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen, deren alkoholbedingte Ausfälle erfolgreiches Arbeiten fast unmöglich machen.

Geschichten wie die von einem ehemaligen Hertha-Coach, dem noch eine wichtige, der Mannschaft unbedingt sofort mitzuteilende taktische Anmerkung einfiel und der sich völlig beduselt in der Tür irrte und den verdutzten Gegnern einen kleinen Vortrag hielt, gehören zum festen Repertoire jedes Liga-Reporters. Oder die von einem Trainer, der nach einem großen Hallenturnier nur von mehreren Personen gestützt den Ausgang finden konnte - Trinkfestigkeit gehört immer noch zu den fußballerischen Primärtugenden.

Warum jemand, der mit seiner Droge sehr gut zurecht kommt, nicht einfach in Ruhe weiter arbeiten kann, hat eigentlich noch keiner der bisher zum »Thema Daum« (»ran«) so eifrig Stellung Nehmenden erklären können. Immer wird nur die Vorbildfunktion eines Trainers beschworen, ganz so, als würden sich jetzt Tausende E-Jugendspieler sofort an den nächsten Dealer wenden und im großen Stil das Koksen beginnen. Wenn Bayern-Spieler sich auf dem Oktoberfest betrinken oder betrunken in Discos Frauen verhauen, dann geht davon offensichtlich keine Gefahr für die unschuldige Jugend aus.

Und doch scheint eine Rehabilitation für Christoph Daum bereits beschlossen zu sein. Er wird, ob er will oder nicht, für längere Zeit in irgendeiner Privatklinik untergebracht. Danach muss er viel in Talkshows herumsitzen. Dort wird er immer wieder erklären müssen, wie dankbar er ist, dass er auf den richtigen Pfad zurückgebracht wurde und seinen Ausstieg aus der Drogenhölle beschreiben. Alle anderen Gäste werden sehr nett zu ihm sein und ihn dafür loben, wie toll er das geschafft hat.

Wenn Daum viel Pech hat, wird immer wieder Konstantin Wecker neben ihm sitzen und erklären, wie dankbar auch er sei, dass er auf den richtigen Pfad zurückgebracht wurde etc. Alle sind sich dann einig, dass Drogen etwas Furchtbares sind, weil sie doch beinahe zwei wundervolle Karrieren zerstört hätten - die ohne Stoff vielleicht gar nicht so vielversprechend hätten werden können, aber das auszusprechen ist verboten. Ebenso, dass es rückblickend vielleicht sogar eine ganz prima Zeit mit viel Spaß war.

Wenn Christoph Daum sich in der Öffentlichkeit genügend zerknirscht gezeigt hat, darf er wieder Trainer werden. Zunächst im Ausland, später auch wieder zu Hause, wo sich alle über seine Erfolge sehr freuen werden, weil sie ein Beweis dafür sind, dass nur ein cleaner Trainer ein guter Trainer ist. Wenn Daum dann ein paar Spiele hintereinander verliert, wird er entlassen und darf noch einmal einen kleinen Absturz haben.

Aber es gibt auch Hoffnung: Frank Pagelsdorf forderte letzte Woche im »Aktuellen Sportstudio«: »Wir müssen uns alle an der eigenen Nase packen!«