Antisemitismus in arabischen Ländern

Judenhass als guter Ton

Trotz Friedensverträgen und wirtschaftlichen Beziehungen mit Israel nimmt in den arabischen Ländern der Antisemitismus zu.

Nicht nur der Vergangenheit widmet man sich am Yom Ha-Shoah, dem israelischen Holocaust-Gedenktag. Immer geht es auch um Gegenwart und Zukunft. Und um die ist es, wenn man David A. Harris, dem Direktor des American Jewish Committee (AJC), Glauben schenken darf, nicht gut bestellt. In der New York Times warnte er Anfang Mai vor einem »erschreckenden Anwachsen des Antisemitismus in der arabischen Welt«.

Zum Yom Ha-Shoah vorgelegte Untersuchungen seiner Organisation, der Anti Defamation League und der Universität Tel Aviv hätten ergeben, dass in den letzten Monaten in allen arabischen Ländern die antisemitische Propaganda gegen Israel bedenklich zugenommen habe. Dies betreffe nicht etwa nur Syrien, wo es zum guten Ton der Elite der Baath-Partei gehört, den Holocaust zu leugnen und in den Zionisten die wahren Nazis zu sehen, und wo staatliche Verlage immer wieder Bücher über jüdische Ritualmorde verlegen.

Es gehe zunehmend auch um Länder, die entweder wie Ägypten oder Jordanien mit Israel Friedensabkommen geschlossen haben, oder um Staaten, die wie viele Golfstaaten zumindest intensive Wirtschaftsbeziehungen unterhalten oder sich um solche bemühen.

Schon seit Jahren weist das AJC - nicht nur am Yom Ha-Shoah - immer wieder darauf hin, dass in arabischen und islamischen Ländern Antisemitismus nicht etwa verboten ist, sondern sich weitgehender staatlicher Protektion und der Unterstützung religiöser Führer erfreut. So ergab eine Untersuchung des Middle East Research Institutes beispielsweise, dass in syrischen Schulbüchern der Holocaust geleugnet und sämtliche existierenden antisemitischen Klischees und Karikaturen kolportiert werden. Zunehmend werde auch offen die weltweite Vernichtung aller Juden gefordert.

Das von den jüdischen Organisationen aus der arabischen Presse der letzten Monate zusammengetragene Material lässt wenig Gutes für einen zukünftigen Frieden im Nahen Osten erhoffen. Deutlich wird, dass nicht einmal Friedensabkommen mit Israel arabische Journalisten oder Intellektuelle davon abhalten, den jüdischen Staat und die »Weltjudenheit« zu dämonisieren.

Seit Jahren registrieren jüdische Organisationen, dass in ägyptischen Medien weiterhin regelmäßig der Holocaust geleugnet und die israelische Politik fast schon zwanghaft mit der des Nationalsozialismus verglichen wird (Jungle World, 22/1999). Eine neue Qualität wird nun durch verschiedene Artikel in der ägyptischen Presse erreicht, in denen kürzlich offen dazu aufgerufen wurde, »die jüdische Krankheit vom Erdboden zu tilgen»: »Warum sollen wir nicht endlich die teuflischen Pläne unserer Todfeinde ernst nehmen und ihre Eliminierung vorbereiten, wo doch der Koran uns die wahre Geschichte des Judentums lehrt?«

Solche Töne sind in letzter Zeit auch vermehrt aus Jordanien zu vernehmen, das bereits 1993 mit Israel einen Friedensvertrag abgeschlossen hatte. Die auflagenstarke Tageszeitung Al-Arab Al-Yom etwa »enthüllte«, dass die Juden nicht nur die Weltherrschaft anstrebten, sondern schon den weltweiten Frauen- und Organhandel kontrollierten und es seit biblischen Zeiten ihr Ziel sei, »die menschliche Gesellschaft in Sünde zu stürzen und vom göttlichen Weg abzubringen«.

Ein Zuheira Jamal Namar, der sich als Bewunderer Adolf Hitlers outet, sehnt sich in der Zeitung Al-Sabil offen nach einem zweiten Auschwitz: »Wir müssen von unseren Vorbildern lernen und übernehmen, was für unser arabisches Anliegen wichtig ist. Hitler erreichte, was den Arabern bisher nicht gelang: Er reinigte sein Land von den Juden. Betrachtet Hitler und gebt deshalb die Hoffnung auf ein befreites Jerusalem nicht auf!«

Ein Hinweis des AJC dürfte Namar sehr freuen: Adolf Hitlers »Mein Kampf« nimmt - trotz eines offiziellen Verbots - in den palästinensischen Autonomiegebieten immer noch Platz sechs in den Bestsellerlisten ein: Hier scheinen nicht wenige Menschen die »Hoffnungen« Namars zu teilen.

Aber nicht nur in den Nachbarstaaten Israels gedeihen die antisemitischen Obsessionen: Ein Kommentator der führenden Zeitung des arabischen Kleinstaates Quatar, Al-Sharq, deckte eine zionistische Verschwörung ganz eigener Art auf: Israel schicke geschlechtskranke Frauen nach Quatar, um dort »Krankheit und Sünde« zu verbreiten und so gezielt das Emirat zu ruinieren. Dies sei die übliche Vorgehensweise der Juden, um »die arabischen Nationen und ihre Führer zu zerstören«, vor der schon in den »Protokollen der Weisen von Zion« gewarnt worden sei.

Die zum Yom Ha-Shoah vorgelegten Dokumente zeigen erneut, dass es eine Trennung zwischen Antizionismus und Antisemitismus weder in der arabischen Welt noch anderswo gibt. Zwischen Irak und Marokko werden vielmehr sämtliche antisemitischen Stereotype - von der Ritualmordlüge über die »rassisch bedingte« sexuelle Gefahr der Juden bis hin zur teuflischen Weltverschwörung - ungestört verbreitet. Zu öffentlichen Protesten gegen den Antisemitismus kommt es in den entsprechenden Ländern, mit Ausnahme der jeweiligen jüdischen Organisationen, so gut wie nie.