Happy Horror

Darren Steins Teenie-Kino-Persiflage im medienhermeneutischen Zirkel: "Der zuckersüße Tod"

Daß das amerikanische Kind wie auch sein erwachsenes Vorbild zu Terror neigt, dürfte hinlänglich bekannt sein. Schuld daran soll neben dem Fernsehen auch das Bildungssystem sein, in dem die Kinder in "Cliquen" leben.

Bei Darren Stein geht es um die Clique der Herrschenden, jenes nicht näher bestimmbare juvenile Machtgefüge der Reichen und Schönen, die die Schwachen rumschubsen, bis diese armen Idioten in den Waffenladen marschieren. Auch das ist ausgleichende Gerechtigkeit! Die ganze High School ist - wir ahnen es - weniger ein Ferienlager der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ) als vielmehr ein fortdauerndes Terrorcamp.

Und ein beliebter Filmstoff - welch schöner medienhermeneutischer Zirkel. Der 26jährige Regisseur Darren Stein setzt der Institution Schule und seinen bedrohten Bewohnern mit seinem Film "Der zuckersüße Tod" ein weiteres Denkmal.

Amerikanische Kino-Jugendliche werden normalerweise von amorphem Horror bedroht, da ist es ganz passend, daß Stein das mühsam externalisierte Böse wieder in die menschliche Gemeinschaft zurückholt. Keine großen Monster wie in "The Faculty", auch keine brutalen Mörder, die den Tod mit dem Pizza-Dienst bringen - das Böse lauert wie in vielen Teeniefilmen, z.B. "Eine wie keine", "Eiskalte Engel", im sonst gern zuerst verspeisten, weil kostbarsten Gut der menschlichen Tauschgemeinschaft selbst: der jungen Frau.

"High School - eine Zeit süßer Unschuld und unverdorbener Jugend", umwirbt uns der Filmverleih. Weiter im Text. Die Clique, die sagt, wo's langgeht, besteht nur aus Mädchen im besten Alter. Und ihre Bosheit ist praxisbezogen. Sie entwickelt sich erst, als etwas schiefgeht.

Es ist der Geburtstag der schönen Liz (Ex-Miß Teen USA, Charlotte Roldan), und ihre drei Freundinnen planen, sie zu überraschen. Etwas rüde, zugegeben: Morgens, als alles noch schläft in der Siedlung mit den Häusern der in der Bio-Tech-Industrie zu Geld gekommenen Väter, überfallen sie die Ahnungslose unter der Regie von Courtney (Rose McGowan).

Geknotet und geknebelt verschwindet Liz im Kofferraum des Cabrios und wird eine Weile herumgefahren. Schließlich will man sie wieder befreien und diesen Moment mit einem Polaroid-Schnappschuß festhalten. Doch da ist es schon zu spät. Vor lauter Angst hat Liz den jawbreaker (dt. soviel wie "Kiefernkracher") verschluckt, eine Süßspeise, die hierzulande zum Glück niemand kennt: ein steinhartes Zuckergebilde von der Größe einer Billardkugel. Die steckt nun in der Speiseröhre. Darren Stein: "Zu einer Clique zu gehören, ist eine Frage auf Leben und Tod!"

Beim Versuch, den Mord zu vertuschen und eine Vergewaltigung mit Todesfolge zu konstruieren, kommt ihnen Schulheimchen Fern (Judy Greer) in die Quere. Unter einigem Gefuchtel und Geschrei stellt sich das verstruppte Wesen in der Auseinandersetzung mit den Schul-Beauties die Kardinalfrage: Was sind eigentlich Mädchen? Bin ich auch eins?

Um das zu klären, bietet ihr Courtney ein Geschäft faustischen Ausmaßes an: Wir machen dich zu einer von uns, zu Vylette, mit freiem Bauchnabel, toller Frisur und drei Verehrern an jedem beringten Zeh. Dafür hältst du die Schnauze. Und zwar so und so für immer. Aber Vylette selbst wird zum Vamp, zur Queen of Teen, und nach und nach muß Courtney einsehen, daß ihr da eine echte Rivalin gegenübersteht, die ihre eigene Führungsposition in Frage stellt.

Trotzdem die Story mit der Zeit merklich dünner wird, sind die Versuche Courtneys, sich aus der immer enger werdenden Schlinge der Anti-Intrige zu befreien, sehenswert und spannend. Beachtlich dabei ihr Vernichtungswille, der sie immer heftigere Attacken gegen die anderen Mädchen führen läßt.

Als Kommissarin Vera Cruz, gespielt von Pam Grier - eines der reichlich vorhandenen Filmzitate, denn natürlich ist Frau Grier selbst ein Filmzitat, wie jeder Schauspieler, der dem einen Film einen weiteren folgen läßt - nach echter Sheriff-Art versucht, mittels rabiater Verhörmethoden die Wahrheit zu erfahren, muß sie resigniert feststellen, daß die Lügengebilde der Mädchen längst zur Realität mutiert sind. Zwischen Dates und Angst, Kuschelbären und Intriganz wird der Totschlag irgendwie bewältigt, wie etwas, was irgendwer im Fernsehen getan haben könnte. Das Verbrechen, das man selbst begangen hat, wird zu einer Erzählung unter vielen. Wie soll die Polizistin diesen Fall aufklären? Es soll ihr nicht gelingen. Nicht Cruz kommt zur Wahrheit - die Wahrheit muß zu ihr kommen.

Inzwischen wurde Liz, die als Jungfrau starb, von Courtney Sex mit zweifelhaften Subjekten angedichtet ("Sie trieb sich mit fremden Männern herum"). Das Sperma - der dringend benötigte Stoff, um die Polizei auf die falsche Spur zu führen - wurde von einem finsteren Herrn, der für die richtige Summe auch die unlebendige Liz schändet, weil sie sich nicht wehren kann, in die Leiche gepumpt. Erst, als sie das erfahren, fallen auch die Freundinnen vom Glauben ab. Ist das noch unsere Courtney?

Welche Erfahrung können Jugendliche unter diesen Bedingungen überhaupt noch als die eigenen verbuchen, wenn schon der Tod einer Freundin nicht mehr ausreicht - nur langsam begreifen die Freundinnen um Courtney das, was sie zu verantworten haben. Rache an Courtney ist für die von ihr zutiefst gekränkte Fern/Vylette vielleicht ein adäquates Mittel, aber die anderen Frauen können sich dahinter nicht verstecken, sie waren an dem Attentat und seiner Vertuschung schließlich unmittelbar beteiligt.

Doch solche weitergehenden Identitätsprobleme aufzuschlüsseln, ist Steins Sache nicht. Schule, sagt uns der Film, ist ein Gefängnis und die Insassen sind die besten Wärter. "Der zuckersüße Tod" nähert sich über die vermeintlich Bedrohten der Bedrohung: Es sind nicht die Verachteten, die irren Spinner, die primär Gewalt ausüben, es sind die Privilegierten. Die Welt ist nicht in Ordnung, das Bürgertum am Wanken. Und bedrohlich ist leider auch, daß trotz alledem dessen Selbstheilungskraft immer noch enorm scheint.

Es wäre aber auch kein Film, wie er sich für's Durchschnitts-Kino gehört, bekämen nicht die Richtigen irgendwann im Finale die Rechnung präsentiert. Aber Littleton führte ja auch nicht zur Reform der amerikanischen Waffengesetze.

"Der zuckersüße Tod". USA 1999. R: Darren Stein. Start: 12. August