Hue und 'ott

Die französischen Kommunisten demonstrieren Offenheit: Mit einer doppelt quotierten Kandidatenliste für die Europawahlen

Die linksliberale Tageszeitung Libération brachte es auf den Punkt: "Coco light" titelte sie Anfang vergangener Woche (Coco ist ein französischer Spitzname für Kommunisten) und beschrieb so die Kandidatenliste des Parti Communiste Français (PCF) für die Wahlen zum Europaparlament.

In zwei Etappen hatte der PCF seine Kandidaten für Europa vorgestellt. Der Enthüllung erster prominenter Namen Mitte Februar dieses Jahres folgte am vorletzten Wochenende die Präsentation des kompletten Personals. Die Liste unterliegt dem Prinzip der doppelten Parität: je 50 Prozent Männer und Frauen, je die Hälfte Parteimitglieder und nicht-parteikommunistische Kandidaten.

Von PCF-Sekretär Robert Hue wurde sie daher als Ausdruck der "Offenheit" und der Öffnung zur "Zivilgesellschaft" präsentiert. Mit dieser "Liste der sozialen Bewegungen" sei, so Hue, die Trennung von Politik und Bewegungen aufgehoben. Zu den prominentesten Nicht-KP-Kandidaten, die bereits im Februar vorgestellt worden waren, zählt die bisherige "interministerielle Beauftragte zur Gleichstellung der Frauen" der Jospin-Regierung, Geneviève Fraisse.

Ähnlich bekannt ist auch der frühere Chef der regierungsnahen Antirassismusgruppe SOS Racisme, Fodé Sylla, der dem linken Flügel der Sozialdemokratie nahesteht. Hinzu kommt der - mittlerweile sozialliberale - ehemalige Chefökonom des PCF, Philippe Herzog, der im Dezember 1996 aus der Partei ausgetreten war. Begründet hatte er seinen Schritt seinerzeit damit, daß die KP nicht genügend die Interessen der Unternehmen, die in der Tat "Wettbewerbszwängen unterlägen", vertrete. Nach eigenen Angaben fungiert Herzog heute als informeller Berater von Premierminister Lionel Jospin.

Auffällig an diesen hochgelobten Vertretern der Zivilgesellschaft ist, daß sie allesamt mehr oder minder prominente Figuren sozialdemokratischer Politik sind oder es einmal waren. Dies gilt auch für weitere Kandidaten wie Roger Hanin (ein Vertrauter des früheren Präsidenten Mitterrand) und Pierre Bergé, Direktor des Unternehmens Yves Saint-Laurent, der noch 1995 zur Wahl des gaullistischen Präsidentschaftskandidaten Jacques Chirac aufgerufen hatte.

Im zweiten Anlauf am 13. März wurde von seiten der KP nach links nachgebessert. Nun findet sich auf der Liste auch der prominente Gewerkschafter Michel Deschamps. Der war bisher Chef der linken und teilweise KP-nahen Lehrergewerkschaft FSU, wurde aber wegen seiner Kandidatur zum Rücktritt gezwungen. Auch Denis Cohen von der CGT Energie wurde nominiert, in seiner Organisation führte dies zu erheblichen Spannungen bis in die Führungsspitze. Denn die Chefetage um Cohen hatte in jüngster Zeit eine Mobilisierung gegen ein vor zwei Wochen verabschiedetes Gesetz blockiert, mit dem die EU-Richtlinie zur Öffnung des Strommarktes für die europäische Konkurrenz umgesetzt werden soll. Das Ziel dieses Manövers war, der Linksregierung den Rücken freizuhalten, um zusammen mit der KP-Fraktion geringfügige Nachbesserungen am Gesetzentwurf anzubringen.

Mit dem deutschen IG-Metall-Mitglied Helga Amail Schroeder findet sich eine weitere Gewerkschafterin aus einem anderen EU-Land auf der Liste. Die Erwerbslosenaktivisten Fran ç ois Desanti (CGT-Erwerbslosenkomitee) und Malika Zediri (KP-nahe Erwerbslosengruppe Apeis) sowie die italienische Vertreterin der Homosexuellen-Bewegung, Michaele Frigolini, sollen weitere Anbindungen an die sozialen Bewegungen garantieren.

Eine der ersten Erklärungen dieser "pluralistischen Liste" (Hue), die gegensätzliche politische Orientierungen zu vereinigen sucht und nach Bekunden von Spitzenkandidat Robert Hue "weder für noch gegen die Regierung eintritt" (sic!), war es, Aufenthaltsgenehmigungen für jene 60 000 Sans-papiers zu fordern, die bei der Legalisierung im vergangenen Jahr abgewiesen wurden.

Die "von Robert Hue und Geneviève Fraisse geführte Liste", so die Eigenbezeichnung, versucht sich indes als Garantin feministischer und antirassistischer Positionen zu etablieren - nicht ohne auf Widerspruch zu stoßen. Aktive Unterstützer der Sans-papiers, der Illegalen, erinnerten am Donnerstag der vergangenen Woche daran, daß Fodé Sylla, Kandidat auf dem fünften Listenplatz, die Sans-papiers-Bewegung vor zwei Jahren als "von Politaktivisten manipuliert" bezeichnet hatte und dafür eingetreten war, das Recht auf Einwanderung jährlich festzulegenden Quoten unterzuordnen.

"Um links zu regieren, muß man zuhören können", erklärten letzte Woche die ersten PCF-Plakate, die Fotos von sozialen Protesten und Sans-papiers-Demonstrationen zierten. Damit soll die Unterstützung sozialer Bewegungen und die KP-Regierungsbeteiligung auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden. "Offene Partei sucht freimütige Geister", proklamierten andere Plakate.

Weit bessere Sprechblasen lieferten in der vergangenen Woche die Guignols, eine Polit-Puppensendung des Privatsenders Canal Plus. In Anspielung an Hue, der betont hatte, die Kommunisten seien "keine Gegner des Marktes", durfte die Hue-Puppe plappern: "Der Markt? Der ist doch nicht schlecht an sich, wenn er nur richtig betrieben wird. Die Unternehmer? Die sind doch nicht schlecht an sich ... Die Arbeiter? Ach ja, für die wird schon immer was abfallen." Auf die Frage nach dem Abschneiden der Kommunisten bei den Wahlen zum Europäischen Parlament antwortete die Puppe: "Da vertraue ich ganz auf Gott. Wissen Sie, Gott ist doch nichts Schlechtes, wenn es nur richtig betrieben wird."