Bürger, zu den Waffen

Wenn in Frankreich über "Innere Sicherheit" diskutiert wird, mag einer nicht zurückstehen: Bruno Mégret

Die Wachen sind mißtrauisch. Ein hagerer junger Mann mit Baskenmütze trägt eine große französische Nationalfahne vor sich her. Doch das Sicherheitspersonal will diese Karikatur eines Cocorico-Patrioten nicht passieren lassen, ohne einen Blick auf seinen Fetisch geworfen zu haben.

Der Betroffene protestiert - muß denn selbst das Nationalsymbol kontrolliert werden? "Es könnten ja Schweinereien daraufgeschrieben sein", wird ihm entgegnet. Zerknirscht passiert er den Eingang - vor dem zahlreiche Polizeibusse stationiert sind - um in die Salle Wagram im vornehmsten Teil von Paris zu gelangen. Im Saal ist die Stimmung eher gelassen - anders als bei den großen Show-Veranstaltungen des Konkurrenten Jean-Marie Le Pen, bei denen das Publikum erregt auf den Volkstribun wartet.

Doch hier und heute, es ist Donnerstag letzter Woche, herrscht eher Teamgeist vor: Alle führenden Kader aus dem Pariser Großraum werden auf die Bühne gebeten und nacheinander dem Publikum vorgestellt. Auf dieser Seite der Spaltungslinie, die derzeit Frankreichs extreme Rechte durchzieht, bestehen noch Chancen für karrierebewußte Kader. Niemand muß unter der Allmacht eines selbstherrlichen Chefs verkümmern.

Auch und erst recht nicht die drei Spitzenfunktionäre. Serge Martinez und Jean-Yves Le Gallou geleiten denjenigen, der heute den Anspruch erhebt, Le Pen seinen Platz als Führer der französischen Neofaschisten streitig zu machen: Bruno Mégret.

Er redet zwar als letzter der drei Parteispitzen, dafür aber am längsten - über eine Stunde. Und doch hat Mégret das Top-Thema des Abends dem Generalbeauftragten des FN-MN, Le Gallou, überlassen: die "50 Vorschläge zur Wiederherstellung der (Inneren) Sicherheit". Mégret liefert den 1 500 Anwesenden, die im Durchschnitt zwischen 35 und 40 Jahre alt sind und somit etwa zehn bis 15 Jahre jünger sind als die Le Pen-Anhänger, nur noch die ideologische Begründung nach.

Kurz nachdem sich im Dezember des vergangenen Jahres der Zerfall des FN in zwei rivalisierende Lager abzeichnete, war die "Innere Sicherheit" zum Topthema der französischen Innenpolitik avanciert. Zufall war das nicht. Denn seither wetteifert die Linksregierung mit den bürgerlich-konservativen Oppositionsparteien um die Gunst größerer Teile der - vermeintlich desorientierten - Wählerschaft des Front National.

Nun hat die extreme Rechte zurückgeschlagen und sucht, die ideologische Hoheit über diesem Terrain zu verteidigen. Die "50 Vorschläge" haben es in sich: Die Todesstrafe soll wieder eingeführt, Strafen sollen generell verschärft, zusätzliche Gefängnisse gebaut und die Polizei mit mehr Mitteln ausgestattet werden. Auch soll ein "Grundrecht auf Notwehr" gesetzlich verankert werden, "gesetzestreue Bürger" sollen Waffen erwerben, besitzen und sie auch noch als "Sicherheitsausgaben" von der Steuer absetzen dürfen - es wimmelt nur so von Belohnungen für die "angestammte" Bevölkerung.

Allen anderen, für die nur der Rauswurf in Frage kommt, soll härter zugesetzt werden. "Unlängst eingebürgerten Straftätern" sei die französische Staatsangehörigkeit zu entziehen, allen anderen "Straftätern" droht, geht es nach dem Willen des FN-MN, eine systematische "Veröffentlichung von Namen und Nationalität" in ihren Wohnorten.

Mégret erklärt, daß zwischen Kriminalität (und Terrorismus, wie das Beispiel der Kurden belege) und Immigration ein enger Zusammenhang bestehe - weil "Bevölkerungsgruppen, die hier nicht zu Hause sind, die ihnen auferlegten Gesetze nicht als die ihren erkennen". Für die "abstammungsmäßigen" Franzosen hingegen gelte es, "die Werte wiederherzustellen, die unsere große Zivilisation möglich gemacht haben". Hinzu müsse der Respekt vor der natürlichen - beispielsweise elterlichen - Autorität kommen.

Mégret zeigt, daß er auch vom Ausland zu lernen bereit ist: "Wer ein Ei stiehlt, der stiehlt auch einen Ochsen", zitiert er ein altes französisches Sprichwort und übersetzt das New Yorker Zero-Tolerance-Konzept gleich mit. "Die regierende Linke wie die (bürgerliche) Rechte" hingegen würden "der 68er-Mode anhängen, die im Kriminellen vor allem ein Opfer der Gesellschaft sehen will", kritisiert Mégret. Aber nicht ohne zu sagen, was "der Kriminelle" tatsächlich ist: "ein Raubtier, ein Schädling".

Auch Frankreichs Geschichtsrevisionisten dürfen sich freuen. Wenn die Konzepte des FN-MN endlich umgesetzt würden, hätte der staatliche Repressionsapparat "Besseres zu tun, als sich im Namen angeblicher moralischer Autoritäten damit zu beschäftigen, was man zu denken hat". Mit Pierre Pauty sitzt ein prominenter Vertreter der Revisionisten unter den Parteikadern auf der Bühne - und klatscht Beifall.