Mit Friedel in der Schweinebucht

Wo das Nachtleben mit Lärm verbunden ist und im Revolutionsfall der Ballermann fehlt - Ferien auf Kuba

Zu den schwierigsten Aufgaben der Reisebranche gehört es, der Kundschaft klarzumachen, daß Wegfahren nicht bedeutet, in Deutschland anzukommen. Anstatt nun aber jedes im Ausland gelegene Reiseziel mit roten Warnhinweisen "Achtung! Dies ist nicht Deutschland!" zu versehen, setzen die Kataloglyriker darauf, ihren Kunden die Andersartigkeit der Reiseziele in kleinen Texten schonend beizubringen. In den Bildbroschüren der Billiganbieter erwähnt man daher "unterschiedliche Hygienestandards", "mediterranes Lebensgefühl", das immer auch "Lärmentwicklung" beinhaltet und Frühstück, das mit "gewohnten Standards" nicht mithalten kann.

Das reicht in der Regel aus, um die Klagen enttäuschter Kunden, deren Betten nicht täglich frisch bezogen oder deren Frühstücksbrötchen nicht mit westfälischer Leberwurst beschmiert wurden, mit einem "Haben wir doch gleich gesagt" abzuschmettern. Und wenn die Alternative "Campingplatz in Mecklenburg-Vorpommern" heißt, ist ein derart abgeblitzter Fernreisender auch meist nicht ernsthaft sauer.

Diejenigen, deren Kunden über etwas mehr Urlaubsgeld verfügen, haben es schon schwerer. Denn diese Klientel will schon ein bißchen genauer wissen, wie sie ihre Ferien verbringt, will am besten sogar noch etwas aus dem Katalog lernen, jedenfalls ein paar Sätze, mit denen man die Arbeitskollegen beeindrucken kann. Im Fall von Kuba ist das jedoch nicht einfach. Einerseits muß man die "Sonneninsel" anpreisen, andererseits darf man deren Geschichte auch nicht ganz verschweigen.

Meier's Weltreisen löst diese verzwickte Aufgabe mit Grandezza: "Kubas Hauptstadt Havanna war nicht nur in den Novellen Graham Green's (!) der Schauplatz soap-opera-reifer Intrigen, sein Nachtleben nicht nur in den zurückhaltenden Kommentaren Hemingways das heißeste der Karibik - zumindest, bis die Männer um Fidel Castro, auch damals schon im olivgrünen Kampfanzug, das Ancien régime Kubas mit durchschlagenden Argumenten von der Notwendigkeit von Reformen überzeugten."

Aufkommende Bedenken beim potentiellen Kuba-Traveller: Urlaub bei den Kommies? Ejejej. Das bedeutet doch wohl Übernachten im VEB Badeferienheim? Und überhaupt, diesen Mann in dem olivgrünen Kampfanzug kennt man aus dem Fernsehen. Ist der nicht sogar Russe? Na gut, im nächsten Satz erfährt man, daß man sich wohl keine großen Sorgen machen muß: "Unter dem Schutz des Großen Bruders aller volkssozialistischen Befreiungsbewegungen entwickelte sich Kuba zu einem sozialistischen Paradies eigener Art - auf einem dritten, karibisch-beschwingten Weg, der sich in vielem vom osteuropäischen Beispiel sympathisch unterscheidet."

Aufatmen beim Leser: Kuba ist zwar definitiv nicht Deutschland, aber Gott sei Dank auch nicht die DDR. Weshalb man dort wohl auch ruhig hinfahren kann, denn es wird allerhand geboten. "Höhepunkte Kubas" etwa, eine einwöchige Busrundreise, die nicht nur Durch-Städte-Latschen beinhaltet, sondern auch einen "Badestopp an der Playa Larga, besser bekannt unter dem Namen Schweinebucht". Bekannter Strand? Kennt man, wie El Arenal eben, und bekannte Bucht, das klingt nach In-Treff, Jet-Set und schicken Szene-Bars. Vielleicht findet man ja sogar eine, über die dieser Schriftsteller geschrieben hat. "Daß der alte Hemingway die Menschen ebenso gut kannte wie die schönen Seiten des Lebens, spricht für ihn und für Kuba", hieß es ein paar Seiten zuvor im Katalog.

Die Insel ist also gebongt! Wenn bloß die Angebotsvielfalt nicht so verwirrend wäre. "Tropischer Osten Kubas" ist der Titel einer tollen Busrundreise, allerdings ohne berühmte Buchten. Dafür kann man "die exotischste Stadt Kubas" kennenlernen. Aber: "Am 26. Juli startete Friedel Castro in Santiago de Cuba einen ersten Putschversuch mit dem Sturm auf die Moncada-Kaserne, der allerdings scheiterte." Das macht schon zwei Revolutionäre, was vielleicht doch ein bißchen viel für eine Insel und drei Wochen Urlaub ist, auch wenn Friedel und Fidel miteinander verwandt zu sein scheinen.

Und überhaupt, gut, daß man das Kleingedruckte gelesen hat, denn diese Castros scheinen einen Knall zu haben. "Ein grundsätzliches Importverbot besteht für Betäubungsmittel aller Art, Lebensmittel, Obst und Waffen", heißt es da. Die Untersuchungen am Zoll kann man sich schon lebhaft vorstellen. Dabei steht da der ausdrückliche Hinweis: "Wie Sie bereits aus den Medien erfahren haben, kann es durch die wirtschaftliche und politische Lage Kubas zu Versorgungsschwierigkeiten kommen." Super-Urlaub: Am Zoll stundenlang nach Leberwurstkonserven durchsucht, aber im Hotel dann nichts zu essen kriegen, so sieht's aus bei Castros. Und sich dann noch nicht mal verteidigen können, wenn ihnen wieder mal nach Revolution ist.

Nix da, keine Ferien auf Kuba. Und ob man sich da so wohlgefühlt hätte, ist ja auch noch nicht raus, denn "das Nachtleben spielt sich meist in den Bars und oder Cabarets der großen Hotels ab. Bitte berücksichtigen Sie, daß in Kuba Fest und Unterhaltungsabende ausgelassener, lauter und länger gefeiert werden. Dies kann als Lärmbelästigung empfunden werden."