Freitag, 23.08.2024 / 23:16 Uhr

Zunehmende Diskriminierung von Araber*innen in Israel

Im arabischen Wadi in Haifa, Bild: Thomas von der Osten-Sacken

In Folge des Gazakrieges kommt es zu zunehmender Diskriminierung von arabischen Bürger*innen in Israel. Das gefährdet auch die Demokratie im Land.

Die arabischen Bürger*innen Israels, die etwa 20 % der Bevölkerung ausmachen, stehen derzeit vor enormen Herausforderungen. In einer Zeit zunehmender Spannungen und Gewalt, die durch den aktuellen Gaza-Konflikt weiter angeheizt werden, sehen sie sich einer eskalierenden Diskriminierung und Verfolgung durch rechtsradikale kahanistische Elemente innerhalb der israelischen Behörden ausgesetzt, die von politischen Verbündeten in der Regierung unterstützt werden. Diese Entwicklungen gefährden nicht nur die soziale Kohäsion, sondern auch die demokratischen Strukturen des Landes.

Historischer Kontext und Einfluss kahanistischer Ideologie

Seit der Gründung des Staates Israel im Jahr 1948 stehen israelische Araberinnen in einer komplexen Beziehung zur jüdisch-israelischen Gesellschaft und zum Staat Israel. Trotz ihrer Staatsbürgerschaft wurden und werden sie häufig marginalisiert und als Bürgerinnen zweiter Klasse behandelt. Diese historische Marginalisierung wurde durch verschiedene Gesetze und politische Maßnahmen gefestigt, die ihre wirtschaftlichen, sozialen und zuletzt auch durch die Netanyahu-Regierungen ihre politischen Rechte einschränkten.

In den letzten Jahren hat die kahanistische Bewegung, benannt nach Rabbi Meir Kahane, an politischer Bedeutung gewonnen. Ihre extrem nationalistische und anti-arabische Ideologie hat zunehmend Einfluss auf staatliche Institutionen, insbesondere auf die Sicherheitsbehörden, genommen. Diese Entwicklung führt dazu, dass israelische Araber*innen nicht nur überwacht, sondern auch aktiv verfolgt werden. Dies geschieht oft unter dem Vorwand der nationalen Sicherheit, doch in Wirklichkeit zielt diese Politik darauf ab, die arabische Bevölkerung weiter zu marginalisieren und zu stigmatisieren.

Insbesondere nach den Ereignissen vom 7. Oktober 2023 und dem Gaza-Krieg hat die kahanistische Bewegung in Israel erheblichen Einfluss gewonnen, insbesondere in staatlichen Institutionen wie den Sicherheitsbehörden. Diese extrem nationalistische und antiarabische Ideologie prägt zunehmend die politische Landschaft und hat zu einer Verschärfung der Überwachung und Verfolgung von israelischen Araber*innen geführt.

Der Aufstieg von Itamar Ben-Gvir, einem prominenten Vertreter dieser Bewegung und Minister für nationale Sicherheit, hat die israelische Polizei stark politisiert. Unter seiner Führung wurde die Polizei angewiesen, aggressiver gegen arabische Bürger*innen vorzugehen, was oft unter dem Vorwand der nationalen Sicherheit geschieht, in Wirklichkeit aber die Marginalisierung und Stigmatisierung der arabischen Bevölkerung weiter vertieft. Ben-Gvirs Einfluss hat dazu geführt, dass rechte und gewalttätige Ideologien innerhalb der Sicherheitsbehörden normalisiert wurden, was erhebliche Auswirkungen auf die arabische Gemeinschaft in Israel hat.

Berichte in Medien wie The Times of Israel und Haaretz dokumentieren, wie diese Entwicklungen die Spannungen zwischen jüdischen und arabischen Bürger*innen weiter verschärft haben. Diese Berichterstattung betont, dass diese Maßnahmen nicht nur die Sicherheitspolitik betreffen, sondern auch die sozialen und politischen Strukturen Israels tiefgreifend verändern.

Diese Entwicklungen zeigen eine beunruhigende Tendenz hin zu einer Politik, die auf Ausgrenzung und Repression basiert, und sie werfen ernsthafte Fragen über die Zukunft der Demokratie und der Minderheitenrechte in Israel auf.

Diskriminierung und Verfolgung: Konkrete Beispiele

Ein bezeichnendes Beispiel für diese Verfolgung ist der Fall von Mohand Taha, einem beliebten Stand-up-Comedian und Influencer. Nachdem er in einem Instagram-Post seine Solidarität mit den Bewohnerinnen Gazas ausgedrückt hatte, wurde er von der Polizei verhaftet und in Untersuchungshaft genommen. „Ich wurde in Untersuchungshaft genommen und sie wollten mich ins Megiddo-Gefängnis bringen“, berichtet Taha. „Am Ende war ich nur zwei Tage in Haft, aber ich werde nie wieder etwas über die Situation veröffentlichen.“ Diese Erfahrung zeigt, wie israelische Araberinnen durch die Behörden eingeschüchtert und in ihrer Meinungsfreiheit eingeschränkt werden.

Solche Vorfälle sind kein Einzelfall. In den letzten Jahren wurden Gesetze und politische Maßnahmen verabschiedet, die die Diskriminierung der israelischen Araber*innen weiter verschärfen. Dazu gehören Gesetze, die es ermöglichen, Menschen aufgrund ihrer Social-Media-Posts zu verhaften, wenn diese als Unterstützung des Terrorismus ausgelegt werden. Diese Maßnahmen zielen darauf ab, die arabische Bevölkerung weiter zu marginalisieren und ihre Stimmen in der politischen Debatte zu unterdrücken.

Die systematische Darstellung der israelischen Araber*innen als „Staatsfeinde“ durch extremistische Politiker und Teile der Medien verstärkt die Diskriminierung weiter. Diese Propaganda trägt zur Stigmatisierung der arabischen Bevölkerung bei und verschärft die bereits bestehenden Spannungen zwischen den Bevölkerungsgruppen.

Auswirkungen auf Israels Gesellschaft und Demokratie

Die fortgesetzte Diskriminierung der israelischen Araber*innen verstärkt die rassistischen Spannungen in der israelischen Gesellschaft. Die zunehmende Feindseligkeit gegenüber dieser Bevölkerungsgruppe könnte die Gesellschaft weiter spalten und das Vertrauen zwischen den verschiedenen ethnischen und religiösen Gruppen zerstören.

Die wachsende Entfremdung und das Misstrauen zwischen jüdischen Israelis und arabischen Israelis gefährden die interethnischen Beziehungen. Dies zeigt sich besonders in Bereichen wie dem Gesundheitswesen und der Wissenschaft, wo das bisher friedliche Zusammenleben zunehmend durch Misstrauen und gegenseitige Anschuldigungen belastet wird.

Die fortgesetzte Verfolgung und Diskriminierung der israelischen Araber*innen stellt eine ernsthafte Bedrohung für die demokratischen Prinzipien Israels dar. Die systematische Stigmatisierung einer ethnischen Minderheit widerspricht den Grundwerten der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Wenn diese Entwicklungen nicht gestoppt werden, könnten sie langfristig die demokratischen Grundwerte des Landes untergraben und das Risiko gewalttätiger Auseinandersetzungen erhöhen.