Während der Fußballweltmeisterschaft kam es zu rassistischen und völkischen Vorfällen

Festival der Regression

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In Deutschland hingegen lieferte man eifrig Futter für Teile der extremen Rechten, die sich die WM als sportliches Großevent ohnehin zunutze zu machen versuchten. Der thüringische AfD-Vorsitzende Björn Höcke etwa bejammerte die »Entnationalisierung« des deutschen Fußballs und erinnerte wehmütig an eine angeblich vergangene Zeit, als Deutsche während der Turniere noch patriotisch feiern durften. Dazu postete er eine Bildmontage des Nationaltrikots der »Mann*innenschaft« (sic!) mit regenbogenfarbenem Brustring sowie einem aufgedruckten Logo der Amadeu-Antonio-Stiftung, die Rassismus und Antisemitismus bekämpft. Die »Identitäre Bewegung« warb in einem Flyer zur WM für ein »unverkrampftes Verhältnis« zur Nation und verlautbarte: »Heimatliebe und Patriotismus sind keine Verbrechen.« Die AfD-Jugendorganisation »Junge Alternative« gab in Baden-Württemberg einen WM-Spielplan im AfD-Design heraus.

Nicht nur den deutschen Nationalismus trieb es während des Weltturniers in unangenehme Höhen. So verhängte die Fifa gegen den serbischen Fußballverband eine Geldstrafe in Höhe von 10 000 Schweizer Franken, weil serbische Fans im Spiel gegen Costa Rica ein Banner der im Zweiten Weltkrieg aktiven völkisch-antikommunistischen Tschetnik-Milizen gehisst hatten. Weitere 5 000 Schweizer Franken wurden fällig, nachdem Mladen Krstajić, serbischer Nationaltrainer und ehemaliger Bundesligaspieler, öffentlich verkündet hatte, Felix Brych, der deutsche Schiedsrichter der Partie Serbien gegen die Schweiz, gehöre nach Den Haag geschickt – wo sich zuvor zahlreiche serbische Kriegsverbrecher vor dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien hatten verantworten müssen, so der Subtext der Äußerung.

Serbiens Fans sorgten in demselben Spiel für weitere Eklats. Schnell kursierte ein Foto von fünf Zuschauern der Partie in Pullovern mit dem Porträt des in Den Haag wegen Völkermords verurteilten Ratko Mladić. Zudem riefen einige die Parole »Ubij Šiptara« (»Tötet die Albaner«), die sich gegen die Schweizer Spieler Granit Xhaka, Xherdan Shaqiri und Valon Behrami richtete, deren Familien zum Teil aus dem Kosovo stammen. Xhaka und Shaqiri reagierten, indem sie beim Torjubel ihre Hände zum doppelköpfigen Adler, dem Symbol in der Nationalflagge Albaniens, formten. Auch dafür verhängte die Fifa eine Strafe in Höhe von 10 000 Franken. Alex Miescher, der Generalsekretär des Schweizer Fußballverbands, stellte daraufhin in einem Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung den Sinn doppelter Staatsbürgerschaften in Frage.

Diverse Ausfälle bei den Spielen des Überraschungsfinalisten Kroatien sorgten ebenfalls für Diskussionen. Neben Berichten von faschistischen Symbolen und Hitlergrüßen bei Siegesfeiern kroatischer Fans trug auch die kroatische Mannschaft selbst ihren Teil bei. Nach dem Vorrundenerfolg über Argentinien lief in der Kabine das Lied »Bojna Čavoglave« der Band Thompson, wie ein über soziale Netzwerke geteiltes Video des kroatischen Spielers Dejan Lovren zeigte. Gemeinsam mit seinem Mannschaftskollegen Šime Vrsaljko sang der in Diensten des FC Liverpool stehende Verteidiger darin einige Zeilen mit. Das Lied beginnt mit dem Gruß der faschistischen Ustascha-Bewegung »Za dom – spremni« (»Für die Heimat – bereit«) und gilt als »nationalistischer Gassenhauer« aus der Zeit des Kriegs in Jugoslawien in den neunziger Jahren, wie Der Standard schrieb. Die Band Thompson besang auf Konzerten darüber hinaus schon die kroatischen Konzentrationslager Jasenovac und Stara Gradiška, in denen während des Zweiten Weltkriegs zahlreiche Serben, Juden und Roma sowie Regimegegner ermordet worden waren. Zu den Feierlichkeiten in Zagreb im Anschluss an das Finale fand sich Thompson-Sänger Marko Perković mit der Mannschaft auf der Bühne ein, zahlreiche Spieler machten Selfies mit ihm.

Eine höchst zweifelhafte Allianz ging auch die ägyptische Nationalauswahl ein. Sie schlug ihr Lager während des Turniers ausgerechnet in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny auf. Spieler und Funktionäre posierten mit dem Präsidenten der Teilrepublik, Ramsan Kadyrow, sowie dem dortigen Parlamentsvorsitz­enden Magomed Daudow. Nach Angaben des Portals Queer.de soll Letzterer die Folterungen Homosexueller im Land nicht nur legitimiert haben, sondern dabei auch persönlich anwesend gewesen sein. Den ägyptischen Starspieler Mohamed Salah hielt dies nicht davon ab, sich zum Ehrenbürger Tschetscheniens ernennen zu lassen.