Mittwoch, 14.08.2024 / 14:12 Uhr

Iran: Nur Waffenstillstand in Gaza könnte Angriff auf Israel verzögern

Der Iran hat erklärt, einen direkten Angriff auf Israel zu starten, sollten die Gespräche scheitern oder Israel den Eindruck erwecken, die Verhandlungen in die Länge zu ziehen.

Nur ein Waffenstillstandsabkommen im Gazastreifen, das aus den für diesen Donnerstag in Ägypten oder Katar geplanten Gesprächen hervorgeht, würde den Iran von einem direkten Vergeltungsschlag gegen Israel für die Tötung des Hamas-Führers Ismail Haniyeh auf iranischem Boden abhalten, erklärten drei hochrangige iranische Beamte, von denen einer sagte, der Iran würde gemeinsam mit Verbündeten wie der Hisbollah einen direkten Angriff starten, sollten die Verhandlungen scheitern oder Teheran den Eindruck haben, Israel würde diese in die Länge ziehen.

In einer am Dienstag veröffentlichten Stellungnahme bestätigte der US-Botschafter in der Türkei, Washington bitte seine Verbündeten, den Iran zu einer Beruhigung der Situation zu bewegen. Drei Quellen aus regionalen Regierungen berichteten von Gesprächen mit Teheran, um eine Eskalation im Vorfeld der Waffenstillstandsgespräche zu vermeiden.

»Wir hoffen, dass unsere Antwort [auf die Tötung Haniyehs] zeitlich so abgestimmt und ausgeführt wird, dass ein möglicher Waffenstillstand nicht beeinträchtigt wird«, erklärte die iranische Vertretung bei der UNO letzten Freitag. Am Dienstag darauf verlautbarte das iranische Außenministerium, Aufrufe zur Zurückhaltung würden »den Prinzipien des internationalen Rechts widersprechen«.

»Der Iran und seine Stellvertreter könnten schon in dieser Woche etwas unternehmen. Das ist sowohl die Einschätzung der USA als auch Israels«, sagte der Sprecher des Weißen Hauses John Kirby am Montag gegenüber Journalisten. »Wenn in dieser Woche etwas passiert, könnte der Zeitpunkt dafür durchaus Auswirkungen auf die Gespräche haben, die wir am Donnerstag führen wollen«, fügte er hinzu. 

Am Wochenende hatte die Hamas Zweifel daran geäußert, ob die Gespräche weitergehen sollen und angekündigt, keine Vertreter zu den Verhandlungen zu entsenden. Israel und die Hamas haben in den letzten Monaten mehrere Gesprächsrunden abgehalten, ohne sich endgültig auf einen Waffenstillstand einigen zu können.

Israel wartet auf iranische Antwort

In Israel gehen viele Beobachter von einer unmittelbar bevorstehenden Reaktion aus, nachdem der Oberste Führer Ayatollah Ali Khamenei erklärte, der Iran werde Israel für den Anschlag in Teheran »hart bestrafen«. Die iranische Regionalpolitik wird von der Revolutionsgarde bestimmt, die ausschließlich Khamenei, der obersten Autorität des Landes, unterstehen. Aber auch der dem sogenannten Reformlager angehörende neue Präsident Masoud Peseschkian hat seit seinem Amtsantritt im Juli wiederholt die israelfeindliche Haltung des Irans und seine Unterstützung für die »Widerstandsbewegungen« in der Region bekräftigt.

Meir Litvak, leitender Forscher am Alliance Center for Iranian Studies der Universität Tel Aviv, geht davon aus, dass der Iran seine eigenen politischen Bestrebungen über die Unterstützung seines Verbündeten Hamas stellen werde und einen umfassenden Krieg vermeiden wolle. »Die Iraner haben ihre Strategie und Politik nie den Bedürfnissen ihrer Stellvertreter oder Schützlinge untergeordnet. Ein Angriff ist wahrscheinlich und fast unvermeidlich, aber ich kenne weder das Ausmaß noch den Zeitpunkt.«

Der im Iran ansässige Analyst Saeed Laylaz sagte, die Führung der Islamischen Republik sei nun daran interessiert, auf einen Waffenstillstand im Gazastreifen hinzuarbeiten, »um Anreize zu erhalten, einen umfassenden Krieg zu vermeiden und ihre Position in der Region zu stärken«. Seiner Ansicht nach sei der Iran bisher in den Friedensprozess im Gazastreifen nicht involviert gewesen, nun aber bereit, »eine Schlüsselrolle« zu übernehmen.

Wie zwei Quellen informierten, erwäge der Iran nun zum ersten Mal seit Beginn des Kriegs im Gazastreifen die Entsendung eines eigenen Vertreters zu den Waffenstillstandsgesprächen. Dieser würde jedoch nicht direkt an den Treffen teilnehmen, sondern hinter den Kulissen agieren, »um eine diplomatische Kommunikationslinie« mit den Vereinigten Staaten aufrechtzuerhalten, während die Verhandlungen weitergeführt werden. Allerdings ist unklar, ob Washington, Katar und Ägypten eine – und sei es nur indirekte – Rolle des Mullah-Regimes akzeptierten.

Laut Einschätzung zweier hochrangiger, der libanesischen Hisbollah nahestehenden Quellen werde Teheran den Verhandlungen eine Chance geben, seine Vergeltungsabsichten jedoch nicht gänzlich aufgeben. Ein Waffenstillstand im Gazastreifen würde dem Iran immerhin den Vorwand für eine kleinere, »symbolische« Antwort geben.