Freitag, 19.11.2021 / 16:35 Uhr

Afghanistan: Hilfe für die Taliban?

Von
Arvid Vormann

Bildquelle: Screenshot 

So wirbt das UNHCR um Spenden für Afghanistan: "Seit Jahresbeginn hat der Konflikt bereits rund 550.000 schutzbedürftige Menschen aus ihren Häusern vertrieben".

Nun war es bekanntlich weniger ein diffuser Konflikt, als vielmehr der konkrete Vormarsch der Taliban, der die Menschen in die Flucht trieb. Fraglich ist auch, ob die systematische Unterdrückung von Frauen und Mädchen und die brutale Verfolgung von Minderheiten mit dem Begriff "Konflikt" wirklich angemessen beschrieben ist. Doch es gibt Gründe für diese befremdliche Darstellung.

Das rhetorische Ausblenden der Täter mag leicht den Eindruck vermitteln, es handele sich um eine Art Naturkatastrophe, deren Folgen durch Spenden, wenn sie nur ausreichend flössen, entscheidend gemildert werden könnten. Tatsächlich muss es vielen Afghaninnen und Afghanen wie ein Tsunami oder ein schreckliches Erdbeben vorgekommen sein, als Taliban nach 20 Jahren erneut in ihr Dorf oder ihre Stadt einfielen, um Frauen zu tyrannisieren und Angst, Hass und Gewalt zu verbreiten. Doch es war kein Naturereignis, das die Menschen dort ereilte, und es war auch kein Versehen. Die Amerikaner und die Verbündeten, darunter Deutschland, haben die Afghan*innen sehenden Auges und ohne hinreichenden Grund den Taliban ausgeliefert. Hier von einem "Konflikt" zu sprechen, zeugt entweder von sehr viel schwarzem Humor oder aber von einem Ausmaß an Gleichgültigkeit, das der Komplizenschaft nahekommt.

Und ist es nicht so? Wohin fließen schließlich all die Spenden für Afghanistan? Wie hoch mag wohl der Anteil der Spenden sein, der direkt von den Taliban einbehalten wird, und wieviel Mitspracherecht haben die Taliban eigentlich, wenn es um die Frage geht, wer Hilfe erhält und wer nicht? Hilfsorganisationen, die unter der Herrschaft menschenrechtsverachtender Regimes oder Terrororganisationen arbeiten und bei ihrer Arbeit von deren Willkür abhängig sind, sollten entsprechende Fragen, wenn nicht im Detail, so doch im Groben nachvollziehbar, beantworten können. Aber um diese für die effektive Hilfe vor Ort ganz zentralen Fragen macht man bei allen großen Hilfsorganisationen einen großen Bogen, weil sie die Spendenbereitschaft negativ beeinflussen könnten. Lieber möchte man mit der Rede vom "Konflikt" die Herrschaft der Taliban vergessen machen und die Illusion nähren, dass das Elend mit Geld bekämpft werden könnte.