Freitag, 22.10.2021 / 10:52 Uhr

Afghanistan: Die lästigen Ortskräfte

Von
Arvid Vormann

Bildquelle: Bundeswehr

Ohne Diejenigen, die heute in kaltem Amtsdeutsch als "Ortskräfte" bezeichnet werden, hätte die Bundeswehr, hätten deutsche Behörden, Organisationen und Stiftungen, in Afghanistan buchstäblich nichts ausrichten können. In der deutschen Öffentlichkeit fehlt vielfach jede Vorstellung von der immensen Bedeutung dieser Unterstützer*innen, die zwar meist ein gutes Gehalt bezogen haben, aber sich und ihre Familie auch dauerhaft der Lebensgefahr aussetzten. Sie haben sich ein für alle Mal entschieden, persönlich mit ihrem Leben für die Werte einzustehen und zu haften, die sie mit der Unterstützung der westlichen Präsenz zu verteidigen glaubten.

Deutschland revanchierte sich, indem es unüberwindliche bürokratische Hürden errichtete und einen Großteil der inzwischen hochgradig Gefährdeten im Land zurückließ. Die Wenigen, die es nach Deutschland schafften, werden nun hier in Massenunterkünften eingepfercht und als Bittsteller gedemütigt. Die Aufnahme der Ortskräfte erfolgt offenbar nicht in erster Linie mit dem Ziel, diese Menschen willkommen zu heißen und zügig in die Gesellschaft zu integrieren. Vielmehr gibt es deutliche Bestrebungen, möglichst viele von ihnen möglichst schnell wieder loszuwerden, auch mit unlauteren Mitteln. So werden Ortskräfte systematisch, mit Drohungen und unter Vorspiegelung falscher Tatsachen von Mitarbeiter*innen des BAMF dazu genötigt, einen Asylantrag zu stellen, wie Pro Asyl in einem Video zeigen konnte. Ein solcher Schritt könnte diese Menschen in größte Schwierigkeiten bringen.

Während das Verfahren läuft, lasten Monate unerträglicher Ungewissheit auf den Betroffenen - Ungewissheit darüber, ob sie nun schlussendlich einen Aufenthaltstitel nach Paragraf 22 erhalten oder nicht. Der könnte beispielsweise auch daran scheitern, dass man nur über ein afghanisches Subunternehmen für die Bundeswehr tätig war. Das BAMF weiß viele Schlupflöcher auf seiner Seite. Und jeder, der sich in seiner Verzweiflung irgendwann auf ein Asylverfahren einlässt, ist so gut wie abgeschoben.