Sonntag, 20.01.2019 / 18:50 Uhr

Nicht ohne deine Identität

Von
Andreas Benl

Kürzlich verkündete die FAZ in einem Kommentar auf Seite 1, der Staat dürfe nicht in eine "Verachtung der islamischen Verbände" verfallen, denn er sei auf "Dialogpartner mit einem gewissen Organisationsgrad angewiesen" und könne "diese nicht durch ein paar Talkshow-erfahrene Islamkritiker mit Migrationshintergrund ersetzen". Der Kommentator sprach damit wohl ein Motiv der deutschen Politik aus: keiner linksgrünen, und schon gar nicht einer muslimischen Verschwörung - die 'Islamkonferenz' wurde von Wolfgang Schäuble ins Leben gerufen

Nun traf mit Hamed-Abdel Samad einer der als Talkshow-erfahrenen Islamkritiker mit Migrationshintergrund Geschmähten auf Thilo Sarrazin und dessen wirre Thesen. Die Veranstaltung bewies offensichtlich nur ein weiteres Mal, dass das Problem durch die Minderheits- und Mehrheitsgesellschaft hindurch geht, nicht an ihren jeweiligen ethnischen Grenzen entlang. Und dass sich erst etwas ändert, wenn die Frage gestellt wird, in was für eine Gesellschaft eigentlich integriert werden soll, wenn die "Islamkritiker mit Migrationshintergrund" von Vertretern der Mehrheitsgesellschaft bestenfalls als Feigenblatt für ganz andere Pläne, schlimmstenfalls als Störenfriede vorgeführt werden, und man sich von rechts bis links einig ist, dass man ein Gütesiegel ethnoreligiöser Identität braucht, um in der politischen Auseinandersetzung ernst genommen zu werden.

 

P.S.: Um die Islamische Republik Iran und die von dort beeinflussten Islamverbände, die unter ihrer vermeintlichen iranischen Klientel noch weniger Legitimität haben als Ditib&Co unter Migranten türkischer und arabischer Herkunft, ging es von Seiten Sarrazins an dem Abend wohl kaum. Als Vorstandsmitglied des Vereins "Berliner Wirtschaftsgespräche" war er 2014 verantwortlich für eine Kooperationsveranstaltung mit der iranischen Botschaft, auf der der ehemalige Berliner Bürgermeister Walter Momper und der damalige Botschafter mit terroristischer Vergangenheit Sheikh Attar geladen waren. Das zu einer Zeit, als auch die EU auf Sanktionskurs gegenüber der Islamischen Republik war. Die Vehemenz der Tiraden von Sarrazin und anderen über die Gefahren durch den Muslim an und für sich steht in umgekehrten Verhältnis zur Thematisierung des Islamismus "mit einem gewissen Organisationsgrad“, an dem auch sie wenig bis gar nichts auszusetzen haben.