In der Dominikanischen Republik wurde Präsident Luis Abinader wiedergewählt

Wirtschaftswachstum und Abschottung

Amtsinhaber Luis Abinader hat die Präsidentschaftswahlen in der Dominikanischen Republik klar gewonnen. Neben dem hohen Wirtschaftswachstum kam vor allem sein harter Kurs gegen Migrant:innen aus dem Nachbarland Haiti gut an.

Seine Wiederwahl war nie gefährdet: Luis Abinader ist bei den Präsidentschaftswahlen in der Dominikanischen Republik am 19. Mai im Amt bestätigt worden. Abinader zählt zu den beliebtesten Staatsoberhäuptern Lateinamerikas, das Ergebnis von 57,45 Prozent für ihn hat denn auch deutlich ausgereicht, um nicht in einer Stichwahl gegen den zweitplatzierten Kandidaten und ehemaligen Präsidenten, Leonel Fernández (28,84 Prozent), antreten zu müssen. »Die Dominikanische Republik hat sich für immer verändert«, jubelte er in seiner Siegesrede und schob optimistisch nach, dass »das Beste noch bevorsteht«.

Abinader verkörpert den neuen lateinamerikanischen Politikertypus des gemäßigten, charismatischen Populisten in Perfektion. Einer wohlhabenden Familie aus der Hauptstadt Santo Domingo entstammend, hat es der Unternehmer, Millionär und Harvard-Absolvent geschafft, sich sogar im Amt des Präsidenten als volksnahen Außenseiter zu verkaufen. Bei den Wahlen 2020 trat er für den von ihm und dem ehemaligen Präsidenten Hipólito Mejía 2014 gegründeten Partido Revolucionario Moderno (PRM) an und siegte, ohne zuvor ein öffentliches Amt bekleidet zu haben. Seine politische Karriere hatte Abinader im traditionellen Partido Revolucionario Dominicano (PRD) begonnen, für den er 2012 erfolglos als Kandidat für die Vizepräsidentschaft antrat und aus dem sein PRM hervorging.

2022 veranlasste der dominikanische Präsident Abinader den Bau eines befestigten Grenzwalls über die Hälfte der Landgrenze zu Haiti, um illegale Grenzübertritte zu verhindern.

Abinader gilt als sehr anpassungsfähig. »Er ist ein Mann, der sich völlig den Trends und dem hingibt, was gerade in Mode ist«, zitiert die spanische Tageszeitung El País eine anonyme Quelle aus dem Präsidentenpalast. Seine morgendliche erste Amtshandlung bestehe darin, die häufigsten Suchbegriffe der Dominikaner:innen in Suchmaschinen zu analysieren.

Der politische Analyst Bernardo Matías bescheinigt den drei erfolgreichsten Präsidentschaftskandidaten – neben Abinader und Fernández noch Abel Martínez –, die zusammen fast 97 Prozent der Stimmen auf sich vereinten, jeweils mit einem ähnlich konservativen Wahlprogramm angetreten zu sein. Seit den neunziger Jahren herrschten in der Dominikanischen Republik politischer Pragmatismus und eine konservative Grundstimmung vor. »In diesem Land gewinnt niemand Wahlen ohne die Stimmen des Konservatismus«, so Matías gegenüber dem Sender France 24. Für viele Dominikaner:in­nen versinnbildlicht Abinader den erfolgreichen Geschäftsmann, der katholische Werte und die traditionelle Familie achtet.

Während seiner ersten Amtszeit ab 2020 hat Abinader sich einen Namen als entschlossener Kämpfer gegen die Korruption gemacht. Dass sich die unter ihm begonnenen Ermittlungen gegen ehemalige hochrangige Regierungsmitglieder auch gegen persönliche Rivalen richteten, hat Kritik hervorgerufen, die Abinader aber nichts anhaben konnte. Ebenso wenig schadete Abinader, dass sein Name in den 2021 geleakten »Pandora Papers« über internationale Steueroasen auftaucht, weshalb seitdem über mögliche Steuerhinterziehung durch den Präsidenten gemunkelt wird.

Zu seiner Beliebtheit beigetragen hat die wirtschaftliche Entwicklung des Karibikstaats. Die Dominikanische Republik hat im regionalen Vergleich schon seit den neunziger Jahren ein überdurchschnittliches jährliches Wirtschaftswachstum zu verzeichnen, für 2024 prognostiziert die Weltbank es auf über fünf Prozent. Abinader ist deshalb seit Amtsantritt nicht müde geworden stolz zu verkünden: »Wir gehören nicht mehr zur Dritten Welt!« Er, der selbst Vorsitzender eines Hotelierverbands war, hat vor allem den Ausbau des Tourismus im niedrigen Preissegment gefördert. Im vergangenen Jahr besuchten erstmals mehr als elf Millionen Tourist:innen das Land – so viele, wie es Einwohner:innen hat.

Doch den Wahlsieg dürfte sich Abinader vor allem durch seine harte Haltung gegen den Nachbarstaat Haiti gesichert haben. Beide Länder teilen sich das Territorium der Karibikinsel Hispaniola. Das westlich gelegene krisengeschüttelte Haiti ist das ärmste Land der westlichen Hemisphäre. Seit den neunziger Jahren haben geschätzt drei Millionen Menschen das Land verlassen, wobei das wohlhabendere östliche Nachbarland ein beliebtes Ziel ist. Etwa 500.000 der Einwohner:innen der Dominikanischen Republik stammen aus Haiti, hinzu kommen Hunderttausende nicht registrierte Haitianer:innen.

Seit der Ermordung des haitianischen Präsidenten Jovenel Moïse im Jahr 2021 haben kriminelle Banden in weiten Teilen des Landes die Kontrolle übernommen. Auf die Krise im Nachbarland hat Abinader mit Abschottung und Abschiebung reagiert. Im März 2022 veranlasste er den Bau eines befestigten Grenzwalls über die Hälfte der 392 Kilometer langen Landgrenze zu Haiti, um illegale Grenzübertritte zu verhindern. Zugleich begannen Abschiebungen, die von Menschenrechtsorganisationen bis zum UN-Hochkommissar für Menschenrechte kritisiert worden sind. Allein 2023 hat die Dominikanische Republik bis zu 250.000 Haitianer:innen abgeschoben.

Dabei sind Haitianer:in­nen als Arbeitskräfte vor allem im Niedriglohnbereich ein wichtiger Faktor für die dominikanische Wirtschaft. Bereits 2020 bezifferte eine Studie des Nationalen Instituts für Migration den Anteil von Haiti­aner:in­nen in der Bau- und Landwirtschaft mit einem Drittel. Auch im Tourismussektor und unter den zumeist informell arbeitenden Haushaltsangestellten ist der Anteil an Haitianer:innen groß.

Der dominikanische Anthropologe Para Matías sagte deshalb France 24: »Es gibt Gruppen in Wirtschaft, Militär und Politik, die die haitianische Arbeitskraft zu einem Geschäft gemacht haben, das bislang nicht angetastet wurde und niemals angetastet werden wird.« So gibt es Berichte, dass die dominikanischen Ordnungskräfte selbst in den Menschenhandel involviert sind und den illegalen Grenzübertritt geschäftsmäßig organisieren.

Für seine kommende Amtszeit hat Abinader angekündigt, die Grenze zu Haiti in ganzer Länge zu befestigen. Vor diesem Hintergrund verließen weitere 250.000 Haitianer:innen freiwillig das Land. »Ich muss tun, was notwendig ist, um mein Volk zu schützen«, kommentierte Abinader.

In den kommenden Jahren könnten die Armut und die wachsende Ungleichheit in der Dominikanischen Republik noch Sprengkraft entfalten. Abinader hat versucht, das Problem mit höheren Transferleistungen für Arme anzugehen. Doch der gesetzliche monatliche Mindestlohn von rund 500 US-Dollar reicht schon länger nicht aus, um den Lebensunterhalt zu finanzieren. Trotz hoher Wachstumszahlen und der von der Regierung propagierten Vorstellung von wirtschaftlichem Wohlstand weist die Dominikanische Republik eine miserable Qualität der öffentlichen Bildung, hohe Müttersterblichkeit und viele Jugendschwangerschaften auf.

Abinader hat nach seinem Wahlsieg ­bekundet, die Verfassung achten zu wollen, was sein Antreten bei Präsidentschaftswahlen 2028 ausschließt – in der Region ist das durchaus nicht selbstverständlich. Das amtliche Endergebnis der jüngst ebenfalls durch­geführten Parlamentswahlen liegt noch nicht vor, doch die zentrale Wahlbehörde JCE sagt Abinaders PRM in beiden Kammern des dominikanischen Parlaments stabile Mehrheiten voraus.