Die Spannungen ­zwischen Moldau und Transnistrien wachsen

Russland im Nacken

Die EU hat Beitrittsverhandlungen mit Moldau aufgenommen. Beinahe zur gleichen Zeit nehmen dort die Spannungen mit dem abtrünnigen Gebiet Transnistrien zu.

Der Außenminister und stellvertretende Ministerpräsident der Republik Moldau, Nicu Popescu, gab am 24. Januar während einer Pressekonferenz in der Hauptstadt Chișinău seinen Rücktritt von beiden Ämtern bekannt. Der parteilose Politiker sagte, er habe das von der proeuropäischen Präsidentin Maia Sandu von der sozialliberalen Partei PAS gesetzte Ziel erreicht, die Republik Moldau einer Integration in die Europäische Union näher zu bringen und fügte hinzu: »Ich brauche eine Pause.«

Popescus Rücktritt ­erfolgte aus privaten Gründen, seine Familie lebt in Frankreich. Das »Mi­nisterium für auswärtige Angelegenheiten und europäische Integration«, so der offizielle Name, wird nun von Mihai Popșoi (PAS) geleitet, der zudem stellvertretender Ministerpräsident wurde.

Der Wechsel im Außenministerium erfolgt in einer anspannten Situation: In den vergangenen Wochen verschärfte sich die Rhetorik des separatistischen und de facto unabhängigen Transnistrien, eines dünnen Streifens Land an der Grenze zur Ukraine, nachdem Moldau entschieden hatte, Steuern auf aus Transnistrien eingeführte Waren zu erheben. Diese Regelung trat zum Jahreswechsel in Kraft.

Nach der moldauischen Verfassung ist Transnistrien integraler Bestandteil des Landes, doch die abtrünnige Region steht nicht unter dessen Kontrolle. Dort leben offiziellen Angaben zufolge rund 360.000 Menschen. Der Anführer des transnistrischen Separatistenregimes in der Hauptstadt Tiraspol, Wadim Krasnoselskyj, ordnete Ende Januar an, dass das Verteidigungsministerium die Fähigkeiten des Militärs stärken und Kampfbereitschaft sicherstellen solle. Er forderte zudem die »Modernisierung der Ausrüstung und der Ausbildungsgrundlagen der Armee unter Berücksichtigung der modernen Kampfbedingungen«.

Seit Juni 2022 verfügt Moldau wie auch das Nachbarland Ukraine über den Status eines EU-Beitrittskandidaten, im November 2023 empfahl die zu diesem Zweck eingesetzte Kommission der EU die Aufnahme der Beitrittsverhandlungen für beide Länder; bereits am 14. Dezember wurden sie dann vom Europäischen Rat tatsächlich eröffnet.

Die moldauische Regierungsbehörde für Wiedereingliederung sagte dem moldauischen Nachrichtenportal News­maker, dass man keinen Anlass sehe, über Krasnoselskyjs Äußerungen besorgt zu sein: »Die zuständigen nationalen Behörden werden die Entwicklungen in der Region genau beobachten und geeignete Maßnahmen ergreifen.« Es sei nicht klar, worauf sich die in ­Tiraspol getroffenen Aussagen beziehen und auf welche Argumente sie sich stützen. »Es besteht immer noch der Eindruck, dass diese Diskussionen nur im virtuellen Raum stattfinden.«

Seit Juni 2022 verfügt Moldau wie auch das Nachbarland Ukraine über den Status eines EU-Beitrittskandidaten, im November 2023 empfahl die zu diesem Zweck eingesetzte Kommission der EU die Aufnahme der Beitrittsverhandlungen für beide Länder; bereits am 14. Dezember wurden sie dann vom Europäischen Rat tatsächlich eröffnet. Entsprechend dürfte der Zeitpunkt des Rücktritts Popescus damit zusammenhängen, dass ein wichtiges Ziel bei der Annäherung Moldaus an die EU erreicht worden ist.

Diese ist nicht zuletzt ist im Kontext mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu sehen. Groß war die Angst, als die russischen Truppen 2022 vorrückten, man fürchtete auch eine Invasion Moldaus, sollte Russland es durch ukrainisches Territorium bis nach Transnistrien schaffen, wo russische Soldaten stationiert sind. Die moldauische Armee ist klein und schlecht ausgerüstet, man hätte den Invasoren nichts entgegenzusetzen.

Im Dezember 2022 sagte der Leiter des moldauischen Geheimdiensts, Alexandru Musteaţă, in einem Interview: »Die Frage ist nicht, ob die russische Föderation eine neue Offensive gegen das Territorium der Republik Moldau durchführen wird, sondern wann.« Später ließen die Befürchtungen eines militärischen Einmarsches nach, allerdings begannen sich die Hinweise auf eine Art hybride Kriegsführung zu mehren. Putinnahe Kräfte in Moldau wie die inzwischen verbotene Șor-Partei nutzten die Wut der Bevölkerung auf die Inflation, um Stimmung gegen Sandus proeuropäischen Kurs zu machen; die schwierige ökonomische Lage des ohnehin armen Landes bietet einen perfekten Nährboden für Kreml-Propaganda.

Im März 2023 veröffentlichte ein internationaler Rechercheverbund ein Strategiepapier, das höchstwahrscheinlich aus der russischen Präsidialverwaltung stammt. Es enthüllte Pläne Russlands, die Republik Moldau bis zum Jahr 2030 unter Kontrolle zu bringen. In einer Einschätzung der russischen Destabilisierungskampagne vom 28. Januar stellt der US-amerikanische Think Tank Institute for the Study of War fest: »Beamte und Propagandisten des Kreml schaffen weiterhin Informationsbedingungen, um Moldau zu destabilisieren, wahrscheinlich als Teil der Bemühungen, neben anderen Zielen die Integration der Republik Moldau in die EU und den Westen zu verhindern.«

Der Konflikt gilt seit Anfang der Neunziger als eingefroren, doch besteht aufgrund des russischen Angriffskriegs in der Ukraine die Besorgnis, dass er wieder aufflammen könnte.

1990 war es zu einem ersten bewaffneten Konflikt zwischen Moldau und Transnistrien gekommen, 1992 zu einem kurzen Krieg. Russische Truppen beteiligten sich an der Seite Transnistriens und im selben Jahr wurde ein Waffenstillstand vereinbart. Der Konflikt gilt seitdem als eingefroren, doch besteht aufgrund des russischen Angriffskriegs in der Ukraine die Besorgnis, dass er wieder aufflammen könnte. Die sogenannten russischen »Friedenstruppen«, die gemäß der Vereinbarung längst hätten abgezogen werden sollen, sind immer noch mit bis zu 1.500 Soldaten präsent. Dies verstärkt die Befürchtungen, dass Russland das Ziel verfolgen könnte, einen Korridor von besetzten Gebieten in der Ukraine bis nach Transnistrien zu schaffen oder sogar ganz Moldau einzunehmen.

Valeriu Paşa, Leiter des moldauischen Think Tanks Watch Dog, sagte der Jungle World: »Zum ersten Mal seit Beginn des Kriegs stimmen die Interessen des Kremls mit den Interessen des verfassungswidrigen Transnistriens überein.« Die Menschen in Transnistrien dürften nach der eigenen Kriegserfahrung der neunziger Jahre wenig Interesse daran haben, in den Ukraine-Krieg hineingezogen zu werden. Die Einfuhrzölle jedoch sind den Machthabern Transnistriens ein Dorn im Auge, während der russischen Regierung grundsätzlich jede weitere Destabilisierung in der Region recht sein dürfte.

Wie schnell die weitere EU-Integration von Moldau erfolgen wird, hängt wohl auch vom Ausgang der Präsidentschaftswahlen im Herbst und der Parlamentswahlen 2025 ab. Auch eine Lösung für den Umgang mit dem abtrünnigen Transnistrien muss gefunden werden. Paşa rechnet mit einer Reintegration in die Republik Moldau noch vor einem EU-Beitritt. Für den Fall jedoch, dass Russland die Ukraine besiegen sollte, prognostiziert er nichts Gutes: »Wenn Russland gewinnt, werden wir über die Reintegration Moldaus in Transnistrien sprechen müssen und nicht umgekehrt.« Eine EU-Integration könne dann nicht mehr erfolgen. »Das ist eine existentielle Gefahr für Moldau.«