Über den Einfluss der Baukunst auf das Individuum

Architektur und Alltag

Architektur umgibt den Menschen als zweite Natur und bestimmt sein alltägliches Leben, zumeist ohne dass es ihm bewusst ist. In seinen Essays beleuchtet der Architekt und Professor für Architekturtheorie an der TU Berlin, Jörg H. Gleiter, den Einfluss der Baukunst auf das Individuum. Auszüge aus dem in der Reihe DEJAVU Theorie erschienenen Band »gleiters universum. architektur«.
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Affordanz

Affordanz gehört bislang nicht zu den Grundbegriffen der Architekturtheorie. Es gibt aber gute Gründe, dieses zu überdenken. Der Begriff kommt ursprünglich aus der Gestalttheorie und Wahrnehmungspsycho­logie. James Gibson (1904–1979) hat ihn geprägt und damit beschrieben, was mit großer Selbstverständlichkeit zum täglichen Umgang mit der Architektur gehört: Der Aufforderungscharakter der Dinge. Dass wir die Dinge nicht einfach gebrauchen, sondern dass, bevor wir sie gebrauchen, diese uns auffordern, etwas mit ihnen und damit mit uns zu tun.

Aufforderung
Es ist keineswegs banal, aber die grundlegende Bezie­hung zu den Dingen besteht darin, dass sie uns ständig ansprechen und auffordern, etwas mit ihnen zu tun. Fordert uns nicht etwa die Tasse auf, sie am Henkel anzufassen, damit wir sie anheben und zum Mund füh­ren können, oder die Türklinke, sie herunterzudrücken, damit sich die Tür öffnet und wir durch sie hin­durch von einer Seite der Wand auf die andere Seite gehen können? Die Treppe fordert uns auf, auf ihr hinauf- oder hinabzuschreiten, der Stuhl, uns auf ihn zu setzen, und der Tisch, Dinge wie Teller, Bücher, Bleistifte oder Computer auf ihm abzustellen und eben nicht daneben.

Es ist keineswegs banal, aber die grundlegende Beziehung zu den Dingen besteht darin, dass sie uns ständig ansprechen und auffordern, etwas mit ihnen zu tun.

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