»Cleopatra« und was im März 1913 die Filmwelt bewegte

2.000 Meter Tragödie

Kolumne Von

Was ein Glücksfall. Irgendjemand hat die Fachzeitschrift Der Kinematograph der Jahrgänge von 1907 bis 1932 digitalisiert und ins Netz gestellt und nun kann man nachlesen, was im Jahr 1913, genauer im März 1913, die Kinoschaffenden bewegte.

Oder nach Meinung von Reklametreibenden bewegen sollte, die in großer Zahl vom »bestbewährten« Cocosläufer (»Der idealste Fußbodenbelag«) über garantiert bequeme Klappstühle bis hin zur »mit der ganzen luxuriösen Pracht des alten Egyptens« ausgestatteten »erschütt. Tragödie Cleopatra« anpreisen, die »unstreitig das gewaltigste Zugstück der deutschen kinemaographischen Theater« werde. Und für die sich die Düsseldorfer Film-Manufaktur das »Alleinrecht der Ausbeutung« gesichert hatte. Diese verfügte nicht nur über zwei Te­lefonnummern, sondern sogar über eine eigene »Tel.-Adr.«, also Telegramm-Adresse, die »Film« lautete.

Der Film »Cleopatra« war nicht irgendein Film, sondern einer der ersten in den USA produzierten abendfüllenden Streifen.

Das ist alles sehr spannend, zumal »Cleopatra« von »Presse und Publikum der Vereinigten Staaten als die gewaltigste Filmschöpfung aller Zeiten bezeichnet wurde«. Sagt jedenfalls die Ausbeutungs-Alleininhaberin mit den zwei Telefonnummern und der Telegramm-Adresse und teilt außerdem mit, dass »eine der mächtigsten Londoner Zeitungen« das Werk als »Drama von unerreichter Gewaltigkeit« bezeichnet und dazu geschrieben habe: »Jedes (sic!) Meter Film ein Kunstwerk höchsten Wertes!«

Der Film »Cleopatra«, so steht es bei Wikipedia, war in der Tat nicht irgendein Film, sondern einer der ersten in den USA produzierten abendfüllenden Streifen, der außerdem beeindruckend lang gewesen sein muss, denn in der deutschen Werbung heißt es, er sei »ca. 2.000 Meter lang« und biete »jedem Theater eine abendfüll. Vorstellung«.

Zum Vergleich: Der gleich neben der »Cleopatra«-Annonce angepriesene »wunderbare Film »namens »Scotts«, die »ewige Tragödie in Eis und Schnee«, bringt es nur auf 1.000 Meter Länge, was in der Reklame dafür gleich zweimal hervorgehoben wird. Eine »amerikanische Schönheit und Bühnenkönigin«, wie sie in »Cleopatra« mitspielt – gemeint ist Helen Gardner –, hat »Scotts« nun zwar auch nicht zu bieten. Aber andererseits: »Die Presse und selbst die Behörden, Schulen etc. unterstützen den Erfolg dieses Films«, mit dem die geneigten Kinobesitzer »diesmal das Publikum bester Klasse in ihr Theater bekommen«. Ha!