Er kickte, er rauchte, er dachte
Als Mitte der neunziger Jahre in Frankreich ein Fußballmagazin namens Guadalajara auf den Markt kam, hatte das auch damit zu tun, dass die Weltmeisterschaft 1998 in Frankreich stattfinden sollte. Die hochglänzende Ergänzung zur Wochenzeitung France Football, der französischen »Bibel des Fußballs«, und der täglich erscheinenden L’Équipe benötigte einen optimistischen, positiv besetzten Namen; in der mexikanischen Stadt, deren Namen das neue Magazin fortan trug, hatte man 1986 gegen Brasilien im Viertelfinale gewonnen, wenn auch erst im Elfmeterschießen.
Einer der Brasilianer, der vom Elfmeterpunkt aus scheiterte, war der Spieler mit dem Namen Sócrates Brasileiro Sampaio de Souza Vieira de Oliveira, dem sein philosophisch interessierter und belesener Vater den Rufnamen Sócrates gegeben hatte. Zwei weitere Söhne nannte er Sóstenes beziehungsweise Sófocles.
Wie schon 1982 beim 2:3 gegen Italien in der WM-Zwischenrunde im Estadio Sarrià in Barcelona war die seleção, wie die brasilianische Fußballnationalmannschaft genannt wird, auch 1986 gescheitert. Dabei konnte sie mit den Fußballkünstlern Sócrates, Falcão, Cerezo und Eder aufwarten. Unbändige Offensivfreude hatten sie ausgestrahlt, aber dabei ihre Defensive vernachlässigt, was die squadra azzurra, also die italienische Nationalmannschaft, und deren Stürmer Paolo Rossi brutal bestraften.
Trotzdem wurde das brasilianische Traummittelfeld als Ansammlung von Ballartisten gefeiert, dessen herausragender Akteur Sócrates war. Er wurde zum kreativen Kopf der am schönsten, jedoch nicht am erfolgreichsten spielenden Nationalmannschaft der achtziger Jahre. Was ausschlaggebend dafür war, dass er 1983 zu Südamerikas Fußballer des Jahres gewählt wurde. Auch bei seinem Verein Corinthians São Paulo spielte er auf vielfache Art eine entscheidende Rolle und führte ihn 1982 zur Meisterschaft des Bundesstaats.
Noch kein Abonnement?
Um diesen Inhalt zu lesen, wird ein Online-Abo benötigt::